Deutsche Redaktion

"Erst der Sieg, dann der Wiederaufbau der Ukraine"

27.10.2022 15:02
Initiativen zum Wiederaufbau der Ukraine haben, beim aktuellen Stand der Kämpfe rein symbolischen Charakter. Zumal die EU schon in Bezug auf die bisher versprochenen Mittel in Verzug ist, schreibt Dziennik/Gazeta Prawna. Außerdem geht es auch um die Frage, wie die Chancen auf einen Kompromiss zwischen Brüssel und Warschau im Streit um die Justizreform stehen. Und: Artur Bartkiewicz von der Rzeczpospolita warnt vor Versuchen, die nationale Identität auf moralischer Überlegenheit und Thesen über den "verdorbenen Westen" aufzubauen. 
Wojciech Lorenz: od poczucia bezpieczeństwa zależy w dużym stopniu motywacja do walki ukraińskich żołnierzy.
Wojciech Lorenz: od poczucia bezpieczeństwa zależy w dużym stopniu motywacja do walki ukraińskich żołnierzy.PAP/EPA/STEFFEN KUGLER HANDOUT

Dziennik Gazeta Prawna: Erst der Sieg, dann der Wiederaufbau der Ukraine

Die am Dienstag von der amtierenden G7-Präsidentschaft Deutschlands und der Europäischen Kommission organisierte Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine habe praktisch mit nur einem Fazit geendet, schreibt Dziennik/Gazeta Prawna. Das Land, so die Politiker, werde wieder aufgebaut und die westliche Koalition werde Kiew nicht allein lassen. Auf der Ebene der symbolischen Erklärungen habe sich somit seit dem Kriegsausbruch im Februar nichts geändert, bemerkt das Blatt.

Es, so das Blatt weiter, sei insgesamt schwierig, Initiativen zum Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg heute als etwas anderes zu betrachten als eine rein symbolische Geste. Auf der realen Ebene, lesen wir weiter, gehe es um Hunderte Milliarden Euro. Dabei hätten die 27 EU-Mitgliedstaaten schon Probleme, die bereits im Mai zugesagte Unterstützung in Höhe von 9 Milliarden Euro bis Ende Oktober an Kiew zu überweisen. Der Kernpunkt des Streits zwischen den EU-Ländern sei die Frage, ob das Geld in Form von nicht rückzahlbaren Beihilfen oder als Vorzugsdarlehen mit Garantie aus dem EU-Haushalt bereitgestellt werden sollte. Bisher seien die Mittel größtenteils in Form von Krediten bereitgestellt worden. Nach Ansicht unter anderem Deutschlands könnte dieser Zustand in naher Zukunft für beide Seiten zu Problemen führen. Für die Ukraine, weil sie das Geld zurückzahlen muss, und für die EU, weil die Kosten für den Schuldendienst steigen.

Diese Zweifel seien der Grund für die Verzögerung der Überweisung der erklärten Finanzhilfe seitens der EU. Die Einwände Deutschlands und anderer könnten auch weitere Tranchen für Kiew verzögern. Es sei beschämend, heißt es abschließend im Blatt, dass der ukrainische Finanzminister nach acht Monaten Krieg in einem Interview mit Politico erklären musste, dass sein Land wirklich dringend finanzielle Unterstützung brauche.

DoRzeczy: Rechtsstreit mit der EU lohnt sich weder für die EU, noch für Polen

Der anhaltende Rechtsstreit zwischen Brüssel und Warschau lohnt sich für keine der Seiten, sagt in einem Interview für das Nachrichtenportal des Wochenblatts DoRzeczy Prof. Henryk Domański. Angesichts des anhaltenden Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen Energiekrise, so der Soziologe, sollten sowohl die Europäische Union als auch Polen versuchen, den Streit über die Reform des polnischen Justizwesens beizulegen. Statt ein neues Konfliktfeld mit Polen zu eröffnen, sollten die Staats- und Regierungschefs der EU versuchen, die Zahl der Krisen zu verringern.

In der polnischen Regierung, so Domański weiter, würden zwei Lager, die sogenannten "Tauben" rund um Premierminister Mateusz Morawiecki und die "Falken" rund um Justizminister Zbigniew Ziobro, aufeinanderprallen. Laut Domański scheine derzeit das Lager der Tauben leicht im Vorteil zu sein. Damit seien die Chancen auf einen Kompromiss mit der UE heute etwas größer, als die auf eine weitere Zuspitzung des Konflikts.

Gleichzeitig, so der Experte, würden jedoch auch die Drohungen einer Blockade von EU-Geldern für Polen von Seiten der EU-Beamten weder der EU noch Deutschland zugutekommen. Berlin habe schließlich eine gemeinsame Grenze und rege Handelsbeziehungen mit Polen, so Prof. Henryk Domański.

Rzeczpospolita: Russland lehrt Kinder über den verdorbenen Westen"

Russische Schüler werden im Rahmen des neuen Lehrprogramms „Russische Ideologie" über den „verdorbenen Westen" sowie die kontrastreiche Geschichte und Kultur ihres eigenen Landes unterrichtet, schreibt Artur Bartkiewicz von der Rzeczpospolita. Das, so der Autor, sollte nicht überraschen. In russischen Schulen würden bereits Hasspredigten gegen den Westen und die Ukraine stattfinden. Während des Unterrichts würden Putins zukünftige Soldaten auch lernen, dass die ganze demoralisierte Welt auf dem „edlen Russland" herumhacke. Dieses habe keine Wahl und müsse daher vergewaltigen, morden und alles niederbrennen, um das Glück der Menschheit auf den Leichen seiner Feinde aufzubauen.

Das Thema des „verdorbenen Westens" bzw. der Übernahme des Westens durch den Satanismus, heißt es weiter, tauche in Wladimir Putins Reden immer wieder auf. Auch als er am 30. September die illegale Annexion der besetzten Teile der Ukraine angekündigt habe. In russischen Schulen würden Kinder von Anfang an über zum Aussterben führende Verhaltensweisen erfahren, wie etwa geschlechtsangleichende Operationen. Alles Themen, die Putin in seinen Ansprachen oft und gerne anprangere. Gleichzeitig sei er aber bereit, mit Kamikaze-Drohnen und Raketen bis zum letzten ukrainischen Kind für russische Mütter, Väter und kleine Russen zu kämpfen.

Putin, so der Autor, habe mit seinen Obsessionen zur größten Tragödie in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg geführt. Umso beunruhigender sei die Tatsache, dass auch die Aussagen einiger Politiker in Polen Ähnlichkeiten mit der Weltanschauung des russischen Diktators aufweisen. So soll etwa ein neues Schulfach an polnischen Schulen über den moralisch korrumpierten Westen, Sex, Drogen, die Menschenzucht, Gender- und LGBT-Ideologien lehren. Gleichzeitig soll Polen als Christus der Nationen, Pfeiler der Zivilisation und Verteidiger der Wahrheit dargestellt werden.

Während des Zweiten Weltkriegs sei auch Adolf Hitler von der Verkommenheit seiner westlichen Nachbarn und von der moralischen Überlegenheit Deutschlands überzeugt gewesen. Glücklicherweise habe er verloren und der Westen befinde sich heute in einer ganz anderen Lage. Die Lehre aus der Vergangenheit sei deshalb aus seiner Sicht, durch eine zu starke Beschäftigung mit der Geschichte, nicht den Bezug zur Gegenwart zu verlieren, so Artur Bartkiewicz in der der Rzeczpospolita.

Autor: Piotr Siemiński