Deutsche Redaktion

"Unnötiger Schaden für Kiews Ansehen"

18.11.2022 12:10
Ukrainische Politiker unter Führung von Präsident Wolodymyr Selenskyj haben beschlossen, die Glaubwürdigkeit ihrer Verbündeten zu untergraben, schreibt Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita. Und das zu einem Zeitpunkt, wo die Unterstützung der westlichen Gesellschaften für die Ukraine offenbar bereits ihren Höhepunkt erreicht habe und beginne zu schwinden. 
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Rzeczpospolita: Unnötiger Schaden für Kiews Ansehen 

Ukrainische Politiker unter Führung von Präsident Wolodymyr Selenskyj haben beschlossen, die Glaubwürdigkeit ihrer Verbündeten zu untergraben, schreibt Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita. Und das zu einem Zeitpunkt, wo die Unterstützung der westlichen Gesellschaften für die Ukraine offenbar bereits ihren Höhepunkt erreicht habe und beginne zu schwinden. Gleichzeitig ist in Ostpolen eine Rakete eingeschlagen, die zwei Menschen getötet und Millionen in Angst versetzt hat, lesen wir im Blatt. Kiew bestehe nachdrücklich darauf, dass es sich um eine russische Rakete handle. Und das obwohl seine engsten Verbündeten anderer Meinung seien.

Langsam weiche die Ukraine von ihren Behauptungen zurück, schreibt der Autor. Der Schaden für das Image Kiews, das ein Opfer der russischen Aggression ist, werde wahrscheinlich nicht so leicht zu beheben sein. Trotz des Vorfalls in Ostpolen habe der Westen der Ukraine nach wie vor seine Unterstützung versprochen. Auch wenn die Rakete höchstwahrscheinlich von der ukrainischen Luftabwehr stammt, und eine russische Rakete abfangen sollte. Alle Verbündeten Kiews seien sich trotzdem einig - Moskau trage die Schuld daran. Ohne den Angriffskrieg des Kremls, lesen wir, wäre nichts auf Polen gefallen. Das behaupten die USA, das Land, von dessen militärischer Hilfe die Ukraine am meisten abhängig ist, das behaupte Polen, das in vielen Bereichen helfe, und das behaupte die gesamte NATO.

Selbst wenn es sich um eine russische Rakete handeln sollte, sei das ganze Ereignis ein Zufall gewesen. Der Kreml hätte nicht beschlossen, die NATO anzugreifen, d.h. einen dritten Weltkrieg auszulösen, so das Blatt. Diese Ansicht vertrete das gesamte Nordatlantische Bündnis.

Die Ukrainer dürften ihre Zweifel äußern, glaubt Haszczyński, aber sie sollten dies nicht in der Öffentlichkeit tun. Sie sollten auch nicht mit Parolen um sich werfen, ohne Beweise zu liefern. Was aber am Wichtigsten sei, fährt der Autor fort, Kiew sei in einen Konflikt mit Joe Biden, polnischen Politikern und der gesamten NATO geraten, in der schließlich nicht alle Mitglieder entschlossen seien, die Ukraine uneingeschränkt zu unterstützen. Schon früheren Umfragen zufolge würde selbst in Ländern mit einer pro-ukrainischen Politik die öffentliche Unterstützung für Militärhilfe abnehmen. Die Befürchtung, dass die Ukrainer froh wären, wenn andere Länder direkt in den Krieg hineingezogen würden, könnte diese Tendenz nur noch verschlimmern, schreibt Jerzy Haszczyńśki.


Dziennik: Raketen-Warnsignal für Polen 

Im Online-Blatt Dziennik schreibt Andrzej Krajewski indes, Polen hätten weiterhin großes Glück. Angesichts des Ausmaßes des andauernden Krieges in der Ukraine sei der Raketeneinschlag an der Ostgrenze des Landes lediglich ein tragischer Zwischenfall. Es sei aber auch ein lautes Warnsignal, dass Polen auf viel Schlimmeres gefasst sein müssen.

Den Autor habe die Überraschung über den Vorfall im Land selbst sehr überrascht. Schließlich habe Russland bereits mehrfach Raketenangriffe auf Ziele nahe der polnisch-ukrainischen Grenze durchgeführt, obwohl die Frontlinie weit im Osten verlaufe. Geht es nach dem Autor sei die Wahrscheinlichkeit, dass zufällige Raketen auch auf dem Territorium der Dritten Republik einschlagen könnten, vorhersehbar gewesen. Die Kriegswirren würden in der Regel auch die Nachbarländer derjenigen betreffen, die direkt in einen bewaffneten Konflikt verwickelt seien. Aber es sei nicht immer nur Chaos, lesen wir. Die Verlierer eines Krieges könnte an einer Eskalation des Konflikts interessiert sein, um dadurch Vorteile zu erreichen.

In Weißrussland, heißt es in Dziennik weiter, würden Moskau und Minsk eine russisch-weißrussische Armeegruppe bilden. Schwere Kämpfe könnten daher buchstäblich nur wenige Kilometer von der polnischen Grenze entfernt stattfinden. Somit könnten sich weitere Tragödien wie die von Przewodów ereignen. Der Autor warnt auch, dass es für Putin immer unmöglicher werde, einen Frieden mit der Ukraine zu schließen, der ihn nicht kompromittiere und ihm dadurch drohe, seine Macht zu verlieren. Ein Hoffnungsschimmer könnte für Putin deshalb ein Frieden nach einem offenen, aber begrenzten Zusammenstoß mit NATO-Truppen sein. Dazu müsste der Kreml jedoch zunächst einen solchen Konflikt provozieren. Polen wäre für ein solches Szenario ideal geeignet.

Die auf polnischem Territorium explodierte Rakete, sei daher ein lautes Alarmsignal. Dass die Luftabwehrsysteme der NATO und die alliierten Truppen Polen ein friedliches Leben garantieren, schreibt Krajewski, sei ein Wunschtraum. Polen brauche ein Systems zur schnellen Warnung, die Möglichkeit, sich an sicheren Orten wie z.B. Schutzräumen zu verstecken. Falls erforderlich, heißt es am Schluss, bräuchte Polen auch einen Plan zur Massenevakuierung ins Inland. Diese Instrumente mögen vielleicht nie benutzt werden. Im Falle eines „schwarzen Szenarios" würde man ihr fehlen jedoch bitterlich bedauern, lautet Andrzej Krajewskis Fazit im Online-Blatt.


Gazeta Polska Codziennie: Ein fundamentaler Unterschied 

Die letzten 24 Stunden hätten gezeigt, welch fundamentaler Unterschied zwischen dem Verhalten der polnischen Regierung nach der Raketenexplosion in Przewodów und dem Verhalten der Regierung von Donald Tusk nach der Flugzeugkatastrophe von Smoleńsk bestehe.

Geht es nach dem Chefredakteur der regierungsnahen Wochenzeitung GPC, handle die Regierung von Mateusz Morawiecki und Präsident Andrzej Duda heute gemeinsam. Beide würden sich mit ihren NATO-Partnern und dem größten Verbündeten Polens, den Vereinigten Staaten, über weitere Schritte beraten. Die Zusammenarbeit im Rahmen der Drei-Meere-Initiative oder der Bukarester Neun habe zur sofortigen Unterstützung durch die baltischen Staaten und Polens Nachbarn in der Visegrad-Gruppe geführt. „Wir sind nicht allein, wir handeln gemeinsam, geleitet von der Vernunft, nicht von Emotionen", schreibt Sakiewicz. Tusk indes habe die Smoleńsk-Ermittlungen sofort an die Russen übergeben. Dadurch sei er völlig vom Kreml abhängig gewesen. Er habe zu einer fast unverhohlenen Unterwürfigkeit geführt, schreibt der Autor.

Heute herrsche in Polen eine qualitative Veränderung. Trotzdem gebe es auch jetzt schon Stimmen aus Oppositionskreisen, lesen wir in GPC, man solle mit Wladimir Putin zusammenarbeiten. Oppositionsfreundliche Medien sollen demnach bereits Aufrufe veröffentlichen, den Ort der Explosion unter Beteiligung des russischen Botschafters zu untersuchen. Diese Art von Mentalität werde wahrscheinlich für immer ein Merkmal des Milieus der Bürgerplattform des Oppositionsführers Donald Tusk bleiben, lautet das Fazit des Chefredakteurs des regierungsfreundlichen Wochenblatts.


Piotr Siemiński