Deutsche Redaktion

"Premierminister Morawiecki muss wieder die Gewissen der Deutschen wecken"

16.01.2023 12:50
Die Regierung will offenbar die Auszahlung der EU-Mittel noch vor dem Abschluss der Arbeiten am Gesetz zum Obersten Gerichtshof beantragen und damit den Senat und den Staatspräsidenten unter Druck setzen. Premierminister Morawiecki wirbt in Berlin für Leopard-Lieferungen an die Ukraine. Und: In Belarus beginnt der Prozess eines polnischen Journalisten.
Leopardy bliżej Ukrainy? Premier Morawiecki wyjaśnia
Leopardy bliżej Ukrainy? Premier Morawiecki wyjaśniaPAP/Marcin Obara

Mit der Verabschiedung der Gesetzesnovelle zum Obersten Gerichtshof im Sejm, hat die Regierung in Warschau die erste Hürde auf dem Weg zur Auszahlung der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds überwunden. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Antrag um Auszahlung noch vor der Unterschrift des Staatspräsidenten

Nun wolle die Regierungspartei den Antrag zur Auszahlung der Mittel offenbar noch vor dem Abschluss der Arbeiten am Gesetz nach Brüssel senden, berichtet in der heutigen Ausgabe das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Gehe es nach Premierminister Mateusz Morawiecki, so die Zeitung, sollen die entsprechenden Dokumente innerhalb der nächsten 10 Tage verschickt werden. Für einen solchen Schritt könne es zwei Gründe geben: Erstens habe die PiS sowieso schon viel Zeit für die Ausgabe und Abrechnung der Mittel aus dem Wiederaufbaufonds verloren. Daher wolle die Regierungspartei, die überzeugt sei, dass die Novelle vom Parlament abgesegnet wird, die Auszahlungsprozedur schon in Gang bringen Die Europäische Kommission habe schließlich zwei Monate, um den Antrag zu bearbeiten. Zweitens wolle die PiS damit auch Druck ausüben - zuerst auf den Senat, damit dieser die Bearbeitung beschleunigt und mit Korrekturvorschlägen nicht übertreibt. Und anschließend auf den Staatspräsidenten, damit dieser kein Veto gegen das Gesetz einlegt, so Dziennik/Gazeta Prawna.

Gazeta Polska Codziennie: Premierminister Morawiecki muss wieder die Gewissen der Deutschen wecken

Die regierungsnahe Gazeta Polska Codziennie erinnert indes an den heutigen Besuch von  Premierminister Mateusz Morawiecki in Berlin. Dabei, so das Blatt, wolle der Regierungschef die Bundesregierung zur Unterstützung der internationalen Koalition überzeugen, in deren Rahmen die Ukraine Leopard-Panzer erhalten könnte. “Ein solcher Druck auf Deutschland hat zur Folge, dass Berlin - politisch und in Bezug auf sein Image - einen immer höheren Preis zahlen muss, wenn es den Lieferungen weiter im Wege steht oder diese verzögert”, sagt im Gespräch mit der Zeitung Prof. Przemysław Żurawski vel Grajewski. Geht es indes nach dem Sicherheitsexperten der Akademie für Kriegskunst, Prof. Piotr Grochmalski würde die Ukraine etwa 300 Panzer benötigen, um sich auf die nächste russische Offensive vorzubereiten. “Wenn wir die Möglichkeiten der westlichen Staaten analysieren, dann sieht es danach aus, dass diese etwa 200 Leopard-Panzer liefern könnten”, so Grochmalski. 

Laut dem Experten könne Deutschland nicht offen zugeben, dass es weiterhin an eine Zusammenarbeit mit Russland und eine gemeinsame Domination über Eurasien glaube und Waffenlieferungen daher nicht mit seiner langfristigen Politik übereinstimmen. Aus diesem Grund müsse von verschiedenen Seiten Druck auf Berlin ausgeübt werden, so Grochmalski im Gespräch mit Gazeta Polska Codziennie. 

Gazeta Wyborcza: Du hast das gerettet, was am meisten zählt - die innere Freiheit

Heute beginnt in Belarus der Prozess gegen den polnischen Journalisten und Mitarbeiter der linksliberalen Gazeta Wyborcza, Andrzej Poczobut. In seinem Kommentar dazu erinnert der Chefredakteur der Gazeta Wyborcza, Adam Michnik, dass Poczobut sich stets auch für die Interessen der polnischen Minderheit in Belarus aber auch für die Demokratie in Belarus eingesetzt hat. Der heute beginnende Prozess sei daher vor allem ein Prozess gegen einen Menschen, der sich für gerechte Präsidentschaftswahlen in Belarus und gegen die Fälschungen von Lukaschenka ausgesprochen habe. Es sei aber auch ein Prozess gegen die belarussische Demokratie und die Rechte der polnischen Minderheit in Belarus. Und schließlich sei es ein Prozess gegen einen Menschen, der den Mut, die Konsequenz und den Charakter hatte, das zu verteidigen, was für ihn am wertvollsten gewesen sei - Freiheit und Wahrheit. Im Interesse von Diktatoren, wie Lukaschenka oder Putin, so Michnik weiter, sei es, uns die Freiheit zu nehmen und uns davon zu überzeugen, dass wir alleine sind. Er wolle, dass von hier aus ein Signal von den polnischen Freunden von Poczobut gesendet werde: “Du bist nicht allein. Wir sind mit Dir, genauso, wie wir mit unserem belarussischen Kollegen Aleś Bialacki waren, der später den Friedensnobelpreis erhalten hat. Diesen Preis hat Bialacki erhalten und mit ihm auch all diejenigen, die sich für die Demokratie, Freiheit und Menschenrechte in Belarus einsetzen. Also auch Du, Andrzej”. Lukaschenka werde so enden, wie er gelebt habe - erbärmlich. Wie Kaddafi und Ceausescu. “Danke, dass Du so für das Recht auf Freiheit kämpfen kannst”, so Adam Michnik in der Gazeta Wyborcza. 

Die Stellungnahme von Michnik wird durch einen Artikel der belarussischen Oppositionsführerin Tichanovskaja begleitet, die darauf hinweist, dass Poczobut bereits seit zwei Jahren im Gefängnis sitzt, sich dem Druck der Behörden aber nicht gebeugt hat. Der Prozess sei eine Rache des Regimes für die Angst, die es spüre. Aber Millionen von belarussischen Bürgern hätten 2020 den Weg der Freiheit gewählt. Und das könne man nicht mehr aufhalten, so Tichanovskaja in ihrem Gastbeitrag für die Gazeta Wyborcza.

Autor: Adam de Nisau