Deutsche Redaktion

Chancen sind da. Kann Polen sie aber nutzen?

27.02.2023 10:53
Der russische Angriffskrieg eröffne vor Polen mehrere Chancen, von denen das Land bislang nicht einmal träumen konnte, lesen wir in einer Analyse im Blatt Dziennik/Gazeta Prawna. Um sie aber auszunutzen, müssten sich dafür politische Eliten von beiden Seiten der Barrikade einsetzen. 
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DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Chancen sind da. Kann Polen sie aber nutzen?

Seit Ende des Eisernen Vorhangs hätten sich die USA darum bemüht, mit russischer Hilfe den wirtschaftlichen Wettkampf mit China zu gewinnen. Aus diesem Grund habe Washington in den letzten Dekaden den Russen viel Spielraum in Osteuropa überlassen. Man habe zum Beispiel die permanente Stationierung der US-Soldaten in diesem Teil des Kontinents nie genehmigt, man habe auch die geplante Raketenabwehr nie zu Ende gebaut. Der russische Angriff auf die Ukraine habe eine neue Situation geschaffen. Nun könnten Polen und eben die Ukraine zu wichtigen Partnern der amerikanischen Regierungen werden.

Nach 2014 habe Kiew Deutschland als seinen wichtigsten Partner auf dem Weg in die EU betrachtet. Der Ausbruch des offenen Krieges und die schwankende Haltung Berlins hätten aber verursacht, dass die deutsche Politik jetzt mit Misstrauen betrachtet werde. Polen könnte daher in dieser Konstellation eine wichtigere Rolle übernehmen. Der Krieg bedeute zugleich, dass Berlin seine seit zwei Jahrzehnten betriebene Politik nicht mehr weiterführen könne. Bislang habe Deutschland eine Balance in den Kontakten zwischen dem Ressourcenlieferanten Russland, dem wichtigsten Wirtschaftspartner China und dem Sicherheitsgarant USA gesucht. Indessen schwanke die Position der Bundesrepublik. Es sei also eine weitere Chance für Polen.

Bis zum Kriegsausbruch habe man außerdem in Paris die Möglichkeit nicht wahrgenommen, dass die für die Zukunft der EU wichtigen Entscheidung von anderen Hauptstädten als Berlin und Paris getroffen werden könnten. Langsam keime aber die Ansicht auf, dass auch Warschau künftig zu einem wichtigen Partner auf der europäischen Arena werden könnte. Es gäbe also mehrere Möglichkeiten, um den Einfluss der polnischen Politik auf die Wirklichkeit deutlich auszudehnen, dies würde von den Eliten in Warschau aber viel Reife und vor allem enge Zusammenarbeit verlangen, lesen wir in der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. 

SUPER EXPRESS: Panzerlieferungen einigen politische Eliten 

Bislang scheint der russische Angriffskrieg und die daraus folgende Hilfe für die Ukraine das einzige Thema zu sein, über das sich die Regierenden und die Opposition in Polen einigen können, schreibt die Tageszeitung Super Express. Die Leopard-Panzer aus Polen seien bereits in der Ukraine eingetroffen. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki habe bei dieser Gelegenheit unterstrichen, dass Polen als erstes Land den Ukrainern die Leopard überreicht habe. Die Ukraine würden nicht nur um eigene Selbstständigkeit, aber auch um die Freiheit von Polen und Europa kämpfen. Daher sie die Unterstützung für das Land von solch großer Bedeutung, betonte Morawiecki.

Diese Ansicht teile auch der Politiker der oppositionellen Gruppierung Bürgerplattform (PO), und ehemaliger Verteidigungsminister Bogdan Klich. Er freue sich, dass die Panzer aus Polen bereits in der Ukraine seien. Er hoffe zugleich, dass dieses Beispiel andere Länder zu schnelleren Handlungen bewegen werde, lesen wir in der Tageszeitung Super Express. 

RZECZPOSPOLITA: Parlamentswahl gefolgt von Präsidentschaftswahl 

Die Vorbereitungen zu den Parlamentswahlen im Herbst würden an Tempo gewinnen, stellt in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita der Publizist Michał Kolanko fest. Auf dem Horizont sehe man aber schon weitere Wahlgänge: zum Beispiel die Präsidentschaftswahl, die 2025 erfolgen werde. Schon jetzt würden die Parteispitzen überlegen, wen sie als Kandidaten für das Rennen in zwei Jahren aufstellen sollen. Die Tatsache, wer neues Staatsoberhaupt werde, sei sowohl für die einzelnen Parteien als auch für das gesamte politische Panorama in Polen von großer Bedeutung, stellt der Publizist fest. Erstens könnten in zwei Jahren Vertreter eines der zwei in Polen dominierenden politischen Blöcke die Stärke seines politischen Umfeldes bestätigen. Oder aber, die Präsidentschaftswahl 2025 könnte ein Kandidat für sich entscheiden, der mit keinem der beiden größten politischen Lager verbunden sei und somit das Duopol durchbrechen. Das Jahr 2025 biete zum ersten Mal seit vielen Jahren eine solche Möglichkeit an.

Über eventuelle Kandidaten werde derzeit nur spekuliert, führt der Publizist fort. Die Regierungspartei konzentriere sich in erster Linie auf die Parlamentswahl. Die Entscheidung über den Kandidaten für den Präsidentenposten werde frühestens im kommenden Jahr ernst diskutiert, erst nach den Parlamentswahlen. In verschiedenen Analysen würden aber jetzt schon solche Politiker wie Verteidigungsminister Mariusz  Błaszczak, der amtierenden Premierminister Mateusz Morawiecki oder auch die ehemalige Regierungschefin Beata Szydło genannt.

In den Reihen der Oppositionspartei Bürgerplattform drehe sich die Diskussion hauptsächlich um einen Mann: den amtierenden Oberbürgermeister und Vizechef der Partei, Rafał Trzaskowski. Seine politische Zukunft sei offen, heißt es in den Parteireihen. Er könnte den Sprung ins Parlament versuchen, den Posten des Regierungschefs übernehmen oder sich eben als Kandidat um den Posten des Präsidenten zum zweiten Mal bemühen. Vieles hänge in dieser Hinsicht vom Parteichef Donald Tusk ab, aber anders als es die Medien vorstellen würden, entwickele sich die Zusammenarbeit zwischen den beiden Oppositionspolitikern sehr gut, lesen wir in Rzeczpospolita.

Ein Kandidat, der mit Sicherheit das jetzige Duopol würde durchbrechen wollen, sei der ehemalige Fernsehjournalist und Anführer der Gruppierung Polska 2050. Zwar bereite sich die Partei momentan vor allem auf die bevorstehende Parlamentswahl vor, aber Szymon Hołownia ziehe seien Start im Rennen um den Präsidentenposten sehr ernst in Erwägung, heißt es. Die Linken würden derzeit noch keine konkreten Namen vorstellen, aber sie würden davon ausgehen, dass ihre Gruppierung bei den kommenden Wahlen eine Frau repräsentieren sollte, schreibt Michał Kolanko in der Tageszeitung Rzeczpospolita.

 

Jakub Kukla