Deutsche Redaktion

"Polen fühlen sich sicher"

04.05.2023 13:16
60 Prozent der Polen fühlen sich genauso sicher oder sicherer fühlen, als vor dem 24. Februar 2022. Sind die USA der größte Bremser in Bezug auf einen NATO-Beitritt der Ukraine? Und: Wer steckt hinter der nächtlichen Explosion über dem Kreml? Die Einzelheiten in der Presseschau.
Wsparcie dla Ukrainy i bezpieczeństwo. Spotkanie ministrów obrony Bukareszteńskiej Dziewiątki w Warszawie
Wsparcie dla Ukrainy i bezpieczeństwo. Spotkanie ministrów obrony Bukareszteńskiej Dziewiątki w WarszawieArkadiusz Komski/Shutterstock

Rzeczpospolita: Polen fühlen sich relativ sicher

Trotz des seit 2014 anhaltenden Kriegs im Osten sind über 40 Prozent der Polen der Meinung, dass sich ihre Sicherheit vergrößert hat. Über ein Drittel fühlen sich weniger sicher, schreibt die konservativ-liberale Rzeczpospolita unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IBRiS. Die Analyse, so die Zeitung in ihrem Aufmacher, zeige zwei unterschiedliche Haltungen der Polen zum Thema Sicherheit. Die Wähler der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) seien mit deren Niveau zufrieden (93 Prozent). Auf der anderen Seite würden 54 Prozent der Oppositionswähler das Sicherheitsniveau im Lande als geschwächt empfinden. 

Insgesamt würden sich, laut der Studie, 60 Prozent von uns genauso sicher oder sicherer fühlen, als vor dem 24. Februar 2022, schreibt in seiner Stellungnahme zu dem Thema der Chefredakteur des Blattes, Bogusław Chrabota. Skeptiker, so der Autor, würden sicherlich darauf hinweisen, dass dies nicht der Verdienst der Regierenden sei, sondern eine Folge der Effektivität der ukrainischen Armee, der militärischen Ohnmacht der Russen und der Rolle der NATO. Und all dies, so Chrabota, sei natürlich nicht ohne Bedeutung. Gleichzeitig dürfe man jedoch nicht vergessen, dass die Regierung in Warschau nach Kriegsausbruch mit zahlreichen potentiell destabilisierenden Faktoren konfrontiert worden sei. Erstens mit einer enormen Zahl von Flüchtlingen. Zweitens, mit einem Hybridkrieg Russlands gegen Polen. Drittens mit dem - gelinde gesagt - suboptimalen Zustand der polnischen Streitkräfte. Auf all diesen Fronten seien die Regierenden zurechtgekommen oder hätten ihr Vorgehen relativ gut mit unseren natürlichen gesellschaftlichen Impulsen komponiert. 

Hätte es anders kommen können, fragt der Publizist? Zweifellos. Wir, so Chrabota, hätten angesichts der Millionen von Ukrainern in Polen versagen, einer Sabotage aus Moskau zum Opfer fallen, oder den Glauben an unsere Wehrhaftigkeit verlieren können. Stattdessen fühle sich die Gesellschaft, obwohl ihre Heimat an einen Kriegsschauplatz grenze, integriert und relativ sicher. Die Wirtschaft entwickele sich verhältnismäßig normal. Die Aufstockung der Armee sei - mit öffentlicher Unterstützung - im Gange. Es gebe natürlich unterschiedliche Einschätzungen in Bezug auf die unternommenen Interventionen. Aber auch dies sei normal. Daher scheine die Einstellung zum Krieg generell kein guter Treibstoff für die anstehende Parlamentswahl zu sein. Und deshalb werde wahrscheinlich auch keine der Seiten das Thema im Wahlkampf ernsthaft in den Vordergrund rücken wollen, so Bogusław Chrabota. 

Rzeczpospolita: USA sehen die Ukraine nicht in der NATO

Die USA sehen die Ukraine nicht als NATO-Mitglied, schreibt in seiner Analyse - ebenfalls für die Rzeczpospolita - der Publizist Jędrzej Bielecki. Damit, so der Publizist, hätten sich die Rollen innerhalb der letzten 15 Jahre umgekehrt. Beim NATO-Gipfel in Bukarest 2008 sei es US-Präsident George W. Bush gewesen, der darauf gedrängt habe, der Ukraine einen Membership Action Plan (MAP) anzubieten. Damals sei er am Widerstand von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gescheitert, weswegen bei der Abschlussdeklaration nur die allgemeine Formel genutzt wurde, laut der “die Ukraine Mitglied des Bündnisses werde”. 

Nun würden jedoch immer mehr Medien darauf hinweisen, dass vor dem nächsten NATO-Gipfel in Vilnius der stärkste Widerstand in Bezug auf konkrete Verpflichtungen und Versprechen zum ukrainischen NATO-Beitritt von Joe Biden und seinem Umfeld komme. Offenbar, so Bielecki, rechne Biden - der soeben seine erneute Kandidatur für den Präsidentenposten verkündet habe - darauf, dass der Krieg spätestens im Sommer kommenden Jahres beendet werde, und zwar am ehesten wohl durch eine Einfrierung der Front. Der Grund: Wie der Experte der Carnegie Foundation, Christopher Chivvis, in einem Gespräch mit “Le Monde” erklärt, sei die Ukraine nicht Teil der “vitalen Interessen der USA”. Viel wichtiger sei für Biden eine möglichst schnelle Rückkehr zur Konfrontation mit China. Und die Möglichkeit, den Amerikanern noch vor den Wahlen zu zeigen, dass er in Konfrontation mit Russland einen Erfolg erzielt habe. Denn Donald Trump, der wohl der wichtigste Gegner von Biden bei den Wahlen sein werde, werde bei der Wahlkampagne zweifellos auch mit der Karte eines Übereinkommens spielen wollen, das er als Präsident angeblich mit Putin erreichen könnte. 

In diesem Szenario müsste sich die Ukraine nicht nur mit Gebietsverlusten, sondern auch mit schwächeren Sicherheitsgarantien abfinden, als die, die in Artikel 5 des Washington-Traktats verankert seien. Manche Experten sprechen von der Möglichkeit eines bilateralen Vertrags zwischen der Ukraine und den USA, nach dem Muster des Abkommens zwischen den USA und Israel. Auch die Stationierung von NATO-Truppen in der Ukraine sei im Gespräch. 

Alles in allem scheine das Ziel der USA derzeit vor allem darin zu bestehen, einen unabhängigen ukrainischen Staat mit einer starken Armee zu erhalten, allerdings nicht unbedingt in den international anerkannten Grenzen. Die derzeitigen intensiven Verhandlungen innerhalb der NATO sollen zur Formulierung einer Deklaration führen, die nach dem Gipfel in Vilnius abgesegnet werden und eine verschleierte Vision der USA für den künftigen Frieden beinhalten sollte. Und obwohl sich Polen nach zwei Visiten von Joe Biden selbst für den engsten Verbündeten der USA halte, zeige sich im Moment der Probe, dass der Einfluss der polnischen Behörden auf die USA sehr gering bleibe. Es sei die Stellung Deutschlands und Frankreichs, die derjenigen näher sei, die derzeit im Weißen Haus vorherrsche, so Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Kreml wirft Kiew Anschlag auf Putin vor

Nach der nächtlichen Explosion über dem Kreml, wirft Moskau Kiew einen versuchten Anschlag auf Putin vor und kündigt Vergeltung an. Kiew spricht dagegen von einer russischen Aktion unter falscher Flagge, die eine Eskalation der Kampfhandlungen vor der Siegesparade am 9. Mai rechtfertigen soll, schreibt das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Eines, so die Zeitung, sei sicher: In den letzten Tagen werde die Krim immer häufiger aus der Luft angegriffen, was zu Bränden in Treibstofflagern führe. Zu ähnlichen Luftangriffen sei es auch kurz vor der Gegenoffensive gekommen, in deren Folge die Ukrainer im November 2022 Cherson zurückerobert hätten. Die Behörden in Kiew kündigen auch jetzt eine baldige Rückkehr zu offensiven Kampfhandlungen auf große Skala an. Der Chef der Wagner-Gruppe Jewgienij Prigoschin habe gestern geschrieben, dass die Gegenoffensive soeben begonnen habe, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

Autor: Adam de Nisau