Deutsche Redaktion

"Botschaft von Scholz beleidigt Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs"

09.05.2023 10:06
Will nun auch die liberale Bürgerplattform mit antideutschen Ressentiments im Wahlkampf punkten? Versucht Bundeskanzler Scholz die Deutschen als Opfer des Zweiten Weltkriegs darzustellen? Und: Verwechseln die polnischen Wähler Kompetenzen mit Popularität? Die Einzelheiten in der Presseschau.
Szymon Szynkowski vel Sęk: z zadowoleniem przyjmujemy zatem ideę Zeitenwende ogłoszoną przez kanclerza Olafa Scholza
Szymon Szynkowski vel Sęk: z zadowoleniem przyjmujemy zatem ideę Zeitenwende ogłoszoną przez kanclerza Olafa ScholzaShutterstock.com/Alexandros Michailidis

RZECZPOSPOLITA: Wahlkampfkotelett

Die neue Offensive der oppositionellen Bürgerplattform habe sogar einen Teil der liberalen Kommentatoren ins Staunen versetzt, stellt in seinem politischen Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita der Publizist Michał Szułdrzyński fest. Er halte die harsche Kritik für übertrieben, gebe zugleich zu, dass auch er verblüfft gewesen sei, als er Politiker der Opposition gesehen habe, die in einem Fernsehspot beim Verzehr eines Schweinekoteletts bemängeln, dass drei Viertel des Schweinefleischs in polnischen Geschäften aus Deutschland oder Holland stamme. Sollten Vertreter einer liberalen europäischen Partei die Tatsache kritisieren, dass ihre Landsleute teilweise aus dem Ausland stammende Nahrungsmittel verzehren? – fragt der Publizist. Wie sei es zu verstehen, dass jene Partei, die den Regierenden deutschlandkritische Äußerungen vorwerfe, plötzlich selbst mit einer antideutschen Karte spiele und versuche, polnischen Kunden mithilfe eines deutschen Schweins Angst einzujagen? Er glaube, führt der Publizist fort, dass die Botschaft eigentlich nicht an die eigene Wählerschaft, sondern an die Befürworter der Regierungspartei PiS gerichtet sei. Es sei, als ob die oppositionelle Bürgerplattform sagen möchte, es sei nicht wahr, dass wir euch des traditionellen polnischen Sonntagskoteletts berauben wollen. Man habe euch eingeredet, dass die PO eine Partei sei, die deutsche Interessen vertreten würde. Das stimme aber nicht. Die PO liebe polnisches Schweinefleisch genauso, wie die PiS-Wählerschaft, erklärt Szułdrzyński die mögliche Botschaft der Opposition.

Wenn seine Vermutung stimme, dann zeige dieses Beispiel, wie sich die PO den potenziellen Wähler der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit vorstelle. Die Kampagne sehe so aus, als ob ein Großstädter einem Dorfbewohner die Welt zu erklären versuchte und das mit einem Vokabular, von dem er glaube, dass der Dörfler im Stande sei, es zu verstehen. Im Endeffekt werde der Gesprächspartner ständig beleidigt. Glaube die PO-Partei tatsächlich, dass sie die PiS-Wählerschaft ansprechen könne, indem sie sich als Verteidiger des polnischen Schweinefleisches darstelle? – fragt der Publizist. Vielleicht aber gehe die größte oppositionellen Gruppierung davon aus, dass sie sich von ihrem großstädtischen Bild etwas lösen sollte? Dass sie unkonventionell handeln müsse? Vielleicht riskiere die PO nun, weil sie sonst verlieren werde. Schaue man sich die aktuellen Umfragen an, sei ein frischer Wind dringend nötig, lesen wir in der Tageszeitung Rzeczpospolita.

 

DO RZECZY: Botschaft von Scholz beleidigt Erinnerung an die Opfer des Zweiten Weltkriegs

An vielen Orten in Deutschland habe man an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa 1945 erinnert. Bundeskanzler Olaf Scholz habe den 8. Mai zum Anlass genommen, um zur Verteidigung des Rechtsstaats aufzurufen. Vor 78 Jahren sei Deutschland und die Welt von der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus befreit worden, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz auf Twitter. Der Jahrestag mahne, dass der demokratische Rechtsstaat keine Selbstverständlichkeit sei. "Wir sollten ihn schützen und verteidigen - jeden Tag", so Scholz.

Die ehemalige polnische Premierministerin und aktuelle Europaparlamentarierin Beata Szydło habe sich über diese Aussage empört gezeigt. Zuerst habe die Bundesrepublik das Mythos der Nazis ohne konkrete Staatszugehörigkeit aufgebaut. Und nun versuche ein deutscher Kanzler die Deutschen als ein Opfer des Krieges darzustellen, das befreit werden musste. Dies sei eine Schande und Hohn. Dies beleidige die Erinnerung an die Opfer der deutschen Verbrechen, zitiert die Wochenzeitschrift die Aussage der ehemaligen polnischen Regierungschefin. Szydło erinnere zugleich, dass im Mai 1945 das Dritte Reich nicht befreit worden war, sondern den Krieg endgültig verloren habe, lesen wir in Do Rzeczy.

Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht bedingungslos gegenüber den Alliierten Sowjetunion, USA, Großbritannien und Frankreich. Weil die nächtliche Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde nach Moskauer Zeit auf den 9. Mai fiel, wird der „Tag des Sieges" in Russland traditionell an diesem Tag begangen.

               

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Popularität wichtiger als Kompetenzen?

Der Wahlkampf gewinnt an Tempo. Deshalb werden immer wieder verschiedene Meinungsumfragen veröffentlicht. Eine neue veröffentlicht die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Das Meinungsforschungsinstitut United Surveys wollte wissen, welche Politiker in den Augen der Wählerschaft die kompetentesten seien. Auf der Regierungsseite hätten Premierminister Mateusz Morawiecki, PiS-Chef Jarosław Kaczyński sowie der Präsident Andrzej Duda die Podiumsplätze erreicht. Unter den Politikern der Opposition wiederum hätten Donald Tusk und der Warschauer Stadtpräsident Rafał Trzaskowski die meisten Stimmen erhalten.

In einem Kommentar zu der Studie sagt der Politologe, Professor Antoni Dudek, die Befragten hätten wohl Kompetenzen mit Popularität verwechselt. Oder man habe die Frage unklar formuliert. Wie dem auch sei, zeige das gute Ergebnis des Premierministers, dass die PiS-Partei ein Problem mit der politischen Nachfolge haben werde. Denn für viele Wähler sei der amtierende Regierungschef ein natürlicher Nachfolger des jetzigen Regierungschefs Kaczyński, viele hochrangige Parteimitglieder würde sich eine solche Sukzession aber nicht wünschen, lesen wir in der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna

Autor: Jakub Kukla