Deutsche Redaktion

"Polen-Italien. Ein Bündnis, das nie zu Stande kam"

06.07.2023 06:54
Viel Geschrei und wenig Wolle. So beschreibt Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita den Besuch der italienischen Premierministerin am Mittwoch in Polen. 
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Rzeczpospolita: Polen-Italien. Ein Bündnis, das nie zu Stande kam

Viel Geschrei und wenig Wolle. So beschreibt Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita den Besuch der italienischen Premierministerin am Mittwoch in Polen. Es sei ihr zweiter Besuch an der Weichsel gewesen, seit sie Regierungschefin in Rom ist. Wie sie betonte, sei sie noch nie zweimal in einem anderen Land gewesen. Das sollte alles über die Beziehungen zwischen den beiden Ländern aussagen, lesen wir.

Hinter dem Schirm der Freundlichkeit gebe es jedoch wenig Bereiche, in denen die beiden Ministerpräsidenten einer Meinung seien. Dazu gehöre zum Beispiel die Änderung der Haushaltsregeln der Union. Polens Morawiecki wolle, dass die Verteidigungsausgaben von der Berechnung des maximal zulässigen Haushaltsdefizits der EU ausgenommen werden. Meloni würde die Liste der Ausnahmen noch viel länger machen und auch Investitionen in Ökologie oder neue Technologien einbeziehen. Italien habe nämlich nach Griechenland die relativ höchste Verschuldung in der EU. Ob aus diesem italienisch-polnischen Vorstoß etwas wird, bleibe jedoch abzuwarten.Die derzeitigen Regelungen würden nämlich von Deutschland mit der Unterstützung vieler mittel- und nordeuropäischer Länder bewacht.

Beide Staatsoberhäupter würden andererseits in Bezug auf die Ukraine „praktisch" die gleiche Position vertreten. Beide Länder wollen Sicherheitsgarantien für Kiew. Laut Morawiecki sei das „Hauptthema" der Gespräche mit Meloni die Zuwanderung gewesen. Wie das Blatt erinnert, habe Meloni vergangene Woche auf dem EU-Gipfel zur Zwangsumsiedlung von Migranten Morawiecki und den ungarischen Premierminister Viktor Orbán in den Wind geschlagen. Beide wollten die Schlussfolgerungen des Treffens blockieren. Meloni habe sich jedoch geweigert der Initiative anzuschließen. Drei Wochen zuvor sei es auch Italien zu verdanken, fährt Bielecki fort, dass das polnisch-ungarische Duo bei einem Konvent der Innenminister in Bezug auf ein obligatorische Umsiedlung von Flüchtlingen überstimmt wurde. Geht es nach dem Autor, sollte Melonis Ankunft in Polen unmittelbar nach dem EU-Gipfel somit die Erinnerung an diesen unangenehmen Streit löschen. Beide würden schließlich Fraktionen desselben konservativen Clubs im Europaparlament anführen. Aber auch hier unterscheide sich die EU-Politik von Italien und Polen radikal.

Die Italiener seien die größten Empfänger des Wiederaufbaufonds. Sie würden regelmäßig Transfers aus der EU-Zentrale erhalten. Die italienische Regierung habe sich nämlich auf keinen Streit mit der EU über Justiz und Rechtsstaatlichkeit eingelassen, heißt es. Sie habe auch die Haushaltsausgaben von Melonis Vorgänger, dem liberalen Premierminister Mario Draghi, nicht überprüft. Warschau hingegen erhalte keine EU-Gelder und weite die Liste der strittigen Themen aus, anstatt sie ebenfalls zu löschen, so Bielecki. Meloni habe sich vor allem wegen der kolossalen Schulden des Landes bei der EZB zu einem gütlichen Einvernehmen mit Brüssel entschlossen. Der Wiederaufbaufonds sei für Rom die Hoffnung auf eine Wiederbelebung der seit mehr als zwei Jahrzehnten stagnierten Wirtschaft, lesen wir am Schluss in der Rzeczpospolita.


Wprost: Migration und Umsiedlung - die heiße Kartoffel ganz Europas

Die Migrationspolitik stehe in Polen auf dem Kopf, schreibt indes das Portal der Wochenzeitung Wprost. Wie wir lesen, möchte der Anführer der liberalen Opposition Polens Grenzen gegen die Flut von Zuwanderern aus muslimischen Ländern verteidigen. Diese würde die konservative und gegen die Migration abgeneigte Regierung nach Polen bringen. In der Frage der Migration seien polnische Wähler somit in eine Falle getappt, lesen wir, aus der es keinen einfachen Ausweg gebe. Denn wie solle ein Liberaler Pole die Verurteilung des regierenden Lagers für den Widerstand gegen Zwangsumsiedlungen mit den Äußerungen des liberalen Oppositionsführers Donald Tusk unter einen Hut bringen? Und wie fühle sich der konservative Wähler, heißt es weiter, wenn er erfahre, dass seine Regierung, anstatt Polen so tapfer wie Tusk gegen die Islamisierung zu verteidigen, in Wirklichkeit Zehntausende von Gastarbeitern ins Land hole?

Der einzige Trost für die verwirrten Anhänger der sich ständig bekämpfenden Lager sei, dass dies nicht nur polnische Dilemmas seien. Die harte Auseinandersetzung mit der chaotischen Migrationspolitik sei ein weiterer Beweis für Polens beschleunigten Aufstieg zum europäischen Durchschnitt, so Wprost. Die europäische Migrationspolitik mit der Zwangsumsiedlung als jüngstes Heilmittel für alle Probleme sei eine von allen europäischen Regierungen herumgeworfene heiße Kartoffel. Vielen würde es passen, so das Online-Blatt weiter, dass es die polnische Regierung war, die die von der EU-Mehrheit durchgesetzte Idee der Zwangsumsiedlung auf Messers Schneide stehen ließ und das Odium eines fremdenfeindlichen Stolpersteins für den europäischen Fortschritt auf sich nahm. Es sei sehr bequem, das ganze Thema auf die stumpfe Sturheit der mitteleuropäischen Konservativen gegen die unvermeidlichen Migrationsprozesse zu reduzieren. Die Wahrheit bleibe jedoch, so Wprost abschließend, dass die gesamte Union sich ihnen stellen müsse.


Dziennik/ Gazeta Prawna: EU kapituliert vor Aufklärung von Verträgen mit Pfizer

Die Zweifel an den Verträgen zwischen der Europäischen Kommission und dem größten Lieferanten von Impfstoffen gegen das Coronavirus in Europa bleiben ungeklärt, schreibt DGP am Donnerstag. Zuvor hätten unter anderem das Amt des Europäischen Bürgerbeauftragten und der Europäische Rechnungshof ihre Einwände geäußert. Trotzdem sei es ihnen nicht gelungen, die Europäische Kommission und Pfizer zu zwingen, die Verträge offenzulegen. Auch die Abgeordneten des Europäischen Parlaments wollten die Sache unter die Lupe nehmen, heißt es weiter. Sie sollten prüfen, ob EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hinter den Kulissen mit dem Chef von Pfizer gesprochen habe und warum es während der Pandemie zu einer Preiserhöhung kam.

Nach neun Monaten gebe es immer noch keine Antworten. Letztendlich sei sogar die Arbeit des Sonderausschusses des Europaparlaments in der Angelegenheit zur Geheimsache geworden. Die Chefin der Europäischen Kommission sei nicht einmal zur Anhörung erschienen. Der Chef von Pfizer habe seine Stellvertreterin geschickt. Und das, erinnert das Blatt, obwohl er persönlich die Verhandlungen geführt habe. Während der Pandemie hätten Beamten der Europäischen Kommission die Parlamentarier über die Einzelheiten der Vereinbarung mit Pfizer informiert. Natürlich hinter verschlossenen Türen, lesen wir. Die Abgeordneten hätten auch eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben müssen. Damit hätten sie der Öffentlichkeit das Recht verschlossen, etwas über den Umfang der Vereinbarungen zu erfahren.

Auf der einen Seite könnte die Vertuschung der ganzen Angelegenheit die Angst vor der extremen Rechten bedeuten, schreibt DGP. EU-Politiker würden nämlich befürchten, sie könnten das Thema für politische Zwecke nutzen. Kommentatoren nach, könnte das Unter-den-Teppich-Kehren der Angelegenheit auch für von der Leyen von Vorteil sein. Ihre Amtszeit als EU-Kommissionspräsidentin ende nächstes Jahr, argumentiert die Tageszeitung.



Piotr Siemiński