Deutsche Redaktion

Kein gutes Szenario für die Ukraine

11.07.2023 11:11
Die Ukraine bald in der NATO? 40 % der Polen sind dafür. Dies werde jedoch noch lange nach dem in Vilnius beginnenden Bündnisgipfel nicht geschehen. Wolodymyr Selenskyj wisse das bereits, schreibt in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita Jerzy Haszczyński. 
Presseschau
PresseschauShutterstock.com

RZECZPOSPOLITA: Kein gutes Szenario für die Ukraine

Die Ukraine bald in der NATO? 40 % der Polen sind dafür. Dies werde jedoch noch lange nach dem in Vilnius beginnenden Bündnisgipfel nicht geschehen. Wolodymyr Selenskyj wisse das bereits, schreibt in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita Jerzy Haszczyński. Er wisse es, denn die wichtigsten Akteure des Bündnisses, allen voran die USA und Deutschland, hätten dies angekündigt. Sie hätten erklärt, dass sich der Westen momentan auf die aktuelle Hilfe für die Ukraine konzentriere und werde sich erst nach dem Ende des Krieges mit der Frage der Mitgliedschaft befassen.

Es klinge eigentlich logisch und vernünftig. Kiew jetzt, vor Kriegsende, in die Nato aufzunehmen, würde das Bündnis der Verwirklichung der schrecklichen Vision des Westens näher bringen, in einen direkten Konflikt mit Moskau hineingezogen zu werden. Diese Logik beruhe jedoch auf den Fehlern des Westens, urteilt der Publizist. Ja, die Hilfe für die Ukraine sei viel größer, als vor der offenen russischen Attacke auf das Land. Doch was die Waffen angehe – immer noch definitiv zu klein und zu spät. Der Westen habe Zeit damit verschwendet, Barrieren zu durchbrechen und darüber zu diskutieren, ob es möglich wäre, den Ukrainern Raketen zu geben, die die Stützpunkte des Aggressors erreichen könnten. Dann habe man diskutiert, ob die Ukrainer die Patriots, westliche Panzer und schließlich moderne Flugzeuge bekommen können. Die Russen hätten sich zur gleichen Zeit gar keine Gedanken gemacht, sondern weiter gemordet. Das Ergebnis sei, dass es den Ukrainern sehr schwierig falle, ihr Land zurückzuerobern. Die Gegenoffensive verlaufe schleppend und koste viele Menschenleben.

Wie sollten die Ukrainer angesichts der dürftigen Lieferungen westlicher Waffen Mariupol zurückerobern, geschweige denn die Krim? Wann solle das Ende der Kämpfe stattfinden, nach dem sich der Westen um die künftige Sicherheit der Ukraine kümmern werde? Verberge sich hinter dieser Erklärung nicht die Botschaft, dass die Ukraine eines Tages den Verlust eines Teils ihres Territoriums werde hinnehmen müssen, um den Krieg mit Russland zu beenden?

Aber der Verlust auch nur einer einzigen Stadt durch die Ukraine wäre ein Sieg Russlands. Momentan sehe er aber kein anderes Szenario, so der Publizist in der Tageszeitung Rzeczpospolita. 

WPOLITYCE.PL: Wer pocht auf Polens Souveränität? 

Wir glauben, dass die Europäische Union als eine Staatenvereinigung und nicht als eine EU-Föderation funktionieren sollte. Und dies sei ein gravierender Unterschied, meint der Regierungssprecher Piotr Müller. Das konservative Nachrichtenportal wPolityce hat den Sprecher nach den Worten des PiS-Chefs Jarosław Kaczyński gefragt. Kaczyński sagte letztens, dass man versuche Polen seine Souveränität zu entziehen. Auf die Frage, wen Kaczyński im Sinn hatte, antwortete Müller, es gehe um Deutschland, aber nicht nur. Einige andere Länder der Europäischen Union wären ebenfalls der Meinung, dass man die Bereiche, in denen Einstimmigkeit herrscht, einschränken sollten. Nach Auffassung von Müller seien die Kompetenzen der Europäischen Union bereits weitreichend.

Die polnische Regierung müsse sich in erster Linie um die Interessen Polens kümmern. Er verstehe, dass sich der deutsche Kanzler um deutsche Interessen kümmere und der französische Präsident um französische. Und eben aus diesem Grund müsse die Regierung in Warschau in erster Linie für polnische Interessen verantwortlich sein. 

DZIENNIK/GAZETA PRWNA: Migrationspolitik ohne Migrationspolitik 

Im Jahr 2015, als sich der Machtwechsel in Polen ereignet habe, habe es in Polen fast 160 Tausend Ausländer mit gültiger Aufenthaltserlaubnis gegeben. In diesem Jahr seien es schon über 760 Tausend. Und das seien keine vollständigen Zahlen, denn Prof. Maciej Duszczyk schätze, dass es in Polen insgesamt 3 Millionen ausländische Bürger geben könne. Dies wären also 8 Prozent der Bevölkerung.

Polen habe sich als Rekordhalter der Nachkriegszeit beim Übergang von einem Auswanderungs- zu einem Einwanderungsland erwiesen. Der Trend habe sich unabhängig von den Ansichten der aktuellen Regierung entwickelt, schreibt Dziennik/Gazeta Prawna. Drei Faktoren hätten zu dieser Veränderung beigetragen: der Arbeitsmarkt, die Demografie und zuletzt der Krieg. Darüber hinaus sei die Zuwanderung von Ausländern mit sinkender Arbeitslosigkeit und einer steigenden Zahl an Stellenangeboten einhergegangen. Und das werde auch weiterhin so bleiben. Das Paradoxe an der verschärften Wahlkampfdiskussion über die polnische Migrationspolitik bestehe leider darin, dass das Thema von Emotionen und zynischem politischem Kalkül bestimmt werde.


Autor: Jakub Kukla