Deutsche Redaktion

"Dritter Weg vor dem Aus"

04.08.2023 12:36
Teilt die Koalition zwischen PSL und Polen 2050 das Schicksal anderer politischer Projekte, die eine Alternative zur Recht und Gerechtigkeit und Bürgerplattform vorschlagen wollten? Ist die Vision einer polnisch-ukrainischen Union eine Utopie? Und: Ex-Außenminister Radosław Sikorski polarisiert mit Aussage zu Hubschrauber-Zwischenfall an der Grenze zu Belarus.
Trzecia Droga pójdzie w wyborach do Sejmu oddzielnie - zapewnia poseł Michał Gramatyka.
Trzecia Droga pójdzie w wyborach do Sejmu oddzielnie - zapewnia poseł Michał Gramatyka.PAP/Szymon Pulcyn

RZECZPOSPOLITA: Dritter Weg vor dem Aus

Die Formation „Dritter Weg“ der Bauernpartei PSL und von Polen 2050 ergänze das Angebot der Opposition und positioniere sich rechts von der Bürgerkoalition und viel mehr in der Mitte als die Konföderation, stellt in seinem Kommentar der Chefredakteur der Tageszeitung Rzeczpospolita Bogusław Chrabota fest. Unabhängig von den Meinungsumfragen beider Parteien, die noch immer als Koalition fungieren, würde die Auflösung dieser Vereinbarung die Wahlergebnisse beider Parteien sicherlich ernsthaft infrage stellen. Und ein Scheitern bei der Fünf-Prozent-Hürde durch beide Parteien würde letztlich dazu führen, dass die Opposition ihre Chancen auf einen Sieg verliert. Manche Kommentatoren, so der Publizist, seien zwar der Meinung, dass diese Stimmen in einem solchen Szenario von anderen Oppositionsparteien übernommen würden. Er sehe es aber anders: Einige Wähler, würden nach einem Zerfall der Koalition wahrscheinlich gar nicht zu den Wahlen gehen, während andere sich nach rechts wenden könnten. Woher er das wisse? Weil die von Donald Tusk einst festgelegte Schwellenbedingung für den Eintrag in die KO-Listen, nämlich die Akzeptanz des Rechts auf Abtreibung bis zur 12. Schwangerschaftswoche, für einen Großteil der konservativ gestimmten Wählerschaft inakzeptabel sei, erklärt Chrabota.

Die PiS werde versuchen, diese Wähler zu kaufen, fährt der Publizist fort. Andere Wähler würden dann wohl sagen: „Wir haben niemanden, den wir wählen können“ und würden überhaupt nicht zur Wahl gehen. Nur ein winziger Prozentsatz werde für Donald Tusk und die Bürgerplattform stimmen. Den Satz: „Ich habe niemanden, den ich wählen kann“, höre er überall. Es sei wahr, dass Koalitionen die Identität der politischen Anführer verwischen, aber da ein bestimmter Prozess bereits eingeleitet wurde, sollte man ihn weiterentwickeln und fortsetzen.

Die Koalition der Bauernpartei PSL mit der Gruppierung des Ex-Fernseh-Entertainers Hołownia, erinnert Chrabota, sei das Ergebnis einer rein pragmatischen Idee. Die PSL verfüge über Strukturen, Hołownia habe Frische. Theoretisch könnten beide Gruppierungen daher ein starkes Projekt aufbauen. Wie man sehe, sei dies aber nicht so einfach. Und oft sei es wirklich chaotisch. Deshalb habe sich der Großteil der potentiellen Wählerschaft bereits von der Initiative von Szymon Hołownia verabschiedet. Wer sei geblieben? PSL-Loyalisten und Anhänger eines „zivilisierten“ Konservatismus. Wie es mit dem Dritten Weg weitergehe, werde sich demnächst herausstellen, lesen wir in Rzeczpospolita.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Realpolitik

Nach dem Wiederaufbau könnte die Ukraine ein Partner Polens werden. Das Duo Warschau-Kiew könnte ein Magnet für Rumänien, Litauen und vielleicht sogar Weißrussland sein. Allerdings fielen alle diese Länder historisch in den deutschen Einflussbereichl. Daher werde es entscheidend sein, den Wettbewerb mit Berlin zu gewinnen, sagt Krzysztof Wojczal, Anwalt und Autor von Büchern zu Geopolitik, in einem Interview für Dziennik/Gazeta Prawna.

Er vertrete die These, dass es tatsächlich eine Belastung für Polen wäre, wenn die Ukraine nicht von reichen westlichen Ländern und Institutionen unterstützt würde. Wenn sich der Westen hingegen am Wiederaufbau der Ukraine beteiligen sollte, könnte Polen nicht damit rechnen, dass Warschau eine vorrangige Richtung der Kiewer Außenpolitik sein werde. Nach dem Krieg würden die Ukrainer nach Ressourcen suchen, um das Land wiederaufzubauen. In dieser Hinsicht könne Polen nicht mit Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich oder den Vereinigten Staaten konkurrieren. Daher würden diese Länder einen größeren Einfluss in der Ukraine haben. Man müsse realistisch denken: für eine politische polnisch-ukrainische Union bestehe in der Perspektive einiger Jahre nach dem Krieg derzeit keine Chance. Wenn die Ukraine Bankrott gehen sollte, würde das nur ein destabilisierender Faktor für Polen sein. Sollte es von Russland besiegt werden, würde das ukrainische Territorium Russland auch als Instrument zur Destabilisierung Polens dienen. Daher liege es im polnischen Interesse, die Unabhängigkeit der Ukraine zu verteidigen und dann den großen Plan des Westens zum Wiederaufbau der Ukraine umzusetzen. Allerdings werde Polen in einem solchen Szenario nicht im Mittelpunkt der ukrainischen Aufmerksamkeit stehen.

Dies ändere natürlich nichts an der Tatsache, dass Polen eine wirksame Außenpolitik gegenüber Kiew betreiben und sowohl unsere eigenen als auch die gemeinsamen Interessen berücksichtigen müsse. Denn langfristig gesehen müssten Polen und die Ukraine irgendwann ein politisches Bündnis eingehen. Allerdings könne Polen dieses Konzept nicht vorantreiben. Es gehe darum, dass die Ukrainer selbst verstehen, dass es in ihrem Interesse liege und dass sie die Initiative ergreifen. Sonst werde es scheitern. Ein solches Szenario werde aber erst dann möglich sein, wenn die Ukraine wieder auf die Beine kommt, nicht früher, sagt Krzysztof Wojczal, Anwalt und Autor von Büchern zu Geopolitik im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna.

DO RZECZY: Staatsmänner vs. Abenteurer?

Der Europaparlamentarier der Regierungspartei PiS, Patryk Jaki, kommentiert im Gespräch mit der nationalkonservativen Wochenzeitung Do Rzeczy die Aussage des ehemaligen Außenministers der PO-Regierung, Radosław Sikorski, über belarussische Militärhubschrauber über dem polnischen Territorium. Zur Erinnerung: Zwei belarussische Maschinen hatten am Dienstag den polnischen Luftraum verletzt. Der ehemalige Außenminister der PO-PSL-Regierung, Radosław Sikorski, hat daraufhin erklärt, dass die Hubschrauber hätten abgeschossen werden sollen.

Die Regierung in Warschau verhalte sich verantwortungsvoll, kontert Patryk Jaki. Und betont, dass der Abschuss der Hubschrauber den Beginn eines Krieges bedeuten würde. Daher seien Sikorskis Worte ein Signal zum Nachdenken für alle Polen, ob sie Menschen an der Macht wollten, die rational und vernünftig auf Provokationen reagieren, oder Abenteurer, die einen Krieg beginnen würden.

Auch Jarosław Wolski, einem unabhängigen Analysten und Militärexperten argumentiert, dass der Abschuss der Maschinen die schlechteste Option wäre. Es habe doch Situationen gegeben, in denen ein Hubschrauber des polnischen Grenzschutzes auf der belarussischen Seite verloren gegangen sei. Außerdem, wenn man auf alles schießen würde, was in den polnischen Luftraum eindringe, würde es schnell mehrere Tragödien pro Jahr geben, so der Experte in Do Rzeczy. 

Autor: Jakub Kukla