Deutsche Redaktion

"Kommission auf den letzten Drücker"

31.08.2023 11:50
Woher die Kehrtwende der Regierungspartei in Bezug auf die Sonderkommission zu russischen Einflüssen? Und welche Gefahren birgt eine rasche Etablierung des Ausschusses? Die Rückkehr der Regierungspartei PiS zur Idee, den Sonderausschuss noch vor den Wahlen einzusetzen, ist ein führendes Thema der heutigen Pressekommentare. Außerdem geht es auch um die Frage, ob sich die Regierung in Bezug auf Abtreibungen von erzkonservativen Politikern einschüchtern lässt.
Prezydent podpisał nowelizację Kodeksu karnego przewidującą zaostrzenie kar za szpiegostwo
Prezydent podpisał nowelizację Kodeksu karnego przewidującą zaostrzenie kar za szpiegostwoStrokette/Shutterstock

Die Rückkehr der Regierungspartei PiS zur Idee, den Sonderausschuss zur Untersuchung russischer Einflüsse in Polen noch vor den Wahlen einzusetzen, ist ein führendes Thema der heutigen Pressekommentare. Zur Erinnerung: Trotz eigener Ankündigungen, dass ein Ausschuss zur Untersuchung russischer Einflüsse in Polen vor den Wahlen nicht eingerichtet werde, hatte die PiS-Partei kurz vor der letzten Sitzung des Sejms in dieser Legislaturperiode eine Kehrtwende vollzogen und im letzten möglichen Moment alle neun Kandidaten für den Ausschuss präsentiert, wohlwissend, dass die Opposition dessen Arbeit ignorieren würde.

Rzeczpospolita: Kommission auf den letzten Drücker

Woher die plötzliche Kehrtwende? Geht es nach dem Publizisten der konservativ-liberalen Rzeczpospolita Michał Szułdrzyński, wolle PiS-Chef Kaczyński damit vor allem sein Gesicht wahren. Wie der Autor erinnert, seien es vor allem die geplante Einsetzung der Kommission und die Verabschiedung des so genannten “Lex Tusk” gewesen, die dem Oppositions-Marsch am 4. Juni Antrieb gegeben und ihn zu einem Erfolg gemacht hatten. Diese politische Stimmung sei später bei Treffen in großen Städten genutzt worden, in denen viele Anhänger von Ex-Premier Donald Tusk leben. Die PiS, die eine Polarisierung suchte, habe Tusk ungewollt stärker gemacht, als ursprünglich geplant. Deshalb sei es logisch gewesen, die Idee des Ausschusses zu verwerfen. Aber als Marek Ast zugegeben habe, dass es vor den Wahlen keinen Ausschuss geben werde, habe Tusk dies als seinen Erfolg dargestellt und seinen Anhängern gedankt. Dies sei für die PiS zu viel gewesen. Daher die Entscheidung in letzter Minute, den Ausschuss doch noch vor den Wahlen zu etablieren.

Alle, so Szułdrzyński weiter, wissen, dass es vor den Wahlen keinen Bericht geben wird, da Wochen verstreichen müssen, bevor die Arbeit aufgenommen wird. Aber Jarosław Kaczyński habe nicht zeigen können, dass er vor Donald Tusk eingeknickt ist, den er bei einem Wählertreffen als "Inkarnation des Bösen" bezeichnet hatte. Er wollte nicht riskieren, die Wähler zu demotivieren.

Die Kandidaten seien Personen aus dem Umfeld der Regierungspartei, die jedoch bisher eine gewisse politische Autonomie bewahrt haben. Man müsse sich fragen, warum diese Menschen ihren Ruf aufs Spiel setzen, um einem Gremium beizutreten, das trotz allem nur als politischer Knüppel gegen Gegner dienen soll. Schließlich habe man nur einen Namen und ein Gesicht, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita. 

Gazeta Wyborcza: Lex Tusk ohne Priorität? 

Das Gesetz über den Ausschuss war vom US-Außenministerium kritisiert und vom Senat vollständig abgelehnt worden, erinnert die linksliberale Gazeta Wyborcza. Ein Großteil der Experten betrachtet es weiter als verfassungswidrig, rechtswidrig und als eine Verletzung des Grundsatzes gleicher Wahlen. Am Dienstag habe sich auch die Europäische Kommission geäußert und angekündigt, gegenüber den polnischen Behörden weitere Maßnahmen zu ergreifen, falls der Ausschuss vor den Wahlen seine Arbeit aufnehmen sollte. Es, so die Zeitung, sei zwar unwahrscheinlich, dass der Ausschuss seine Arbeit vor den Wahlen beginnt. Doch auch wenn keine Anhörungen stattfinden sollten, werde die Kommission nach der Auswahl ihrer Mitglieder in der Lage sein, die vertraulichsten Unterlagen von den Geheimdiensten anzufordern. Zudem habe sie das Recht, ihre Vorschläge bei Regierungssitzungen vorzulegen. Die Mitglieder des Ausschusses werden mit 12,5 Tausend Złoty ein Gehalt erhalten, das dem eines Staatssekretärs entspricht, so Gazeta Wyborcza.

Dziennik/Gazeta Prawna: Abtreibungsdebatte erneut politisch

Lässt sich die Regierung in der Abtreibungsdebatte von erzkonservativen Politikern und Aktivisten einschüchtern? Das erste Treffen des Teams, das die Vorgehensweise von Ärzten bei Abtreibungen klären soll, unter der Leitung der neuen Gesundheitsministerin, ist am Dienstag kurzfristig abgesagt worden. Der Grund? Das unangekündigte Erscheinen des erzkonservativen Abgeordneten Grzegorz Braun von der Konfederacja und der Pro-Life-Aktivistin Kaja Godek, berichtet das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. 

Geht es nach dem Blatt, habe die Gesundheitsministerin, Katarzyna Sójka, die Entscheidung getroffen, um eine Konfrontation mit dem Abgeordneten der Konfederacja und der Pro-Life-Aktivistin zu vermeiden. Der Abgeordnete Braun habe einen der Räume im Gesundheitsministerium besetzt, während Kaja Godek den Vorfall filmte und in den sozialen Medien darüber berichtete. Sie habe geschrieben: "Das Team für die Tötung von Kindern wurde abgesagt, wird sich aber bald versammeln und seine mörderischen Richtlinien herausgeben."

Die Mitglieder des Expertenteams, lesen wir weiter, hätten sich empört über die Entscheidung von Ministerin Sójka gezeigt. Man habe ihnen gesagt, dass ihre Arbeit höchste Priorität habe. Sie seien bereits vier Mal zusammengekommen und hätten viel individuelle Arbeit geleistet. "Ein Team der konservativen Regierung wurde von rechten Aktivisten blockiert. Das Gesundheitsministerium gab dem politischen Druck nach und wich aus", so ein Mitglied des Teams. 

Wann es zum nächsten Treffen des Gremiums komme, sei noch unklar. Formal sollte das Team bis zum 12. September mit den Richtlinien fertig sein. Laut Informationen des Blatts, enthalte das vorbereitete Dokument unter anderem Bewertungen, wann eine Lebensgefahr besteht, aber auch die Feststellung, dass psychische Gesundheit ein Grund für eine Abtreibung sein kann und dass im Falle einer Gefahr für die Gesundheit oder das Leben einer Frau keine Gewissensklausel gilt, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna. 

Autor: Adam de Nisau