Deutsche Redaktion

Wie viel Sinn hat die Tradition?

07.11.2023 09:20
Der Staatspräsident habe beschlossen, an seinen Zusagen aus der Zeit vor der Parlamentswahl festzuhalten. Damals habe er ankündigt, dass er die Aufgabe der Regierungsbildung einem Vertreter der siegreichen Partei anvertrauen werde, lesen wir in der Tageszeitung Super Express. Es sei gleichzeitig bekannt, dass wir im Dezember eine Koalitionsregierung der heutigen Oppositionsparteien mit Donald Tusk als Premierminister haben werden. Eine andere politische Realität gäbe es heute an der Weichsel nicht. Auch wenn der Präsident etwas anderes andeute, schreibt Tomasz Walczak in seinem Kommentar.
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SUPER EXPRESS: Wie viel Sinn hat die Tradition?

Drei Wochen, so lange habe Andrzej Duda gebraucht, um sich mit sich selber darüber zu einigen, wer mit der Regierungsbildung beauftragt werden sollte. Man müsse dem Präsidenten zugutehalten, dass er dieses Spektakel mit einem Pokergesicht gespielt habe. Allerdings handle es sich nicht um einen Alfred-Hitchcock-Film und die Spannung tue dem Staat nicht wohl. Deshalb sei es gut, dass Andrzej Duda endlich ein Szenario für den Machtwechsel geschrieben habe. Auch wenn er eine andere Entscheidung hätte treffen sollen, meint der Publizist. Sowohl wegen der Ernsthaftigkeit des Staates als auch aus Mitleid mit Mateusz Morawiecki, der nun einer nicht vorhandenen parlamentarischen Mehrheit nachjagen werde.

Der Präsident habe beschlossen, an seinen Zusagen aus der Zeit vor der Wahl festzuhalten. Er habe sich aber dafür auch entschieden, um die von der PiS-Partei seit den Wahlen geschaffene Fiktion aufrechtzuerhalten, dass die Partei, die zwar siegreich, aber ohne Koalitionsfähigkeiten sei, nur einen Schritt davon entfernt sei, eine Mehrheit im Sejm zu finden.

Andrzej Duda verwies in seiner Rede auf die „gute parlamentarische Tradition“, schreibt Walczak weiter, die den Gewinnern das Recht einräume, eine Regierung zu bilden. Der Präsident scheine nicht bemerken zu wollen, dass Tradition nur dann Sinn mache, wenn sie das Ansehen und die Seriosität des Staates aufbaue. 

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Kosiniak-Kamysz und die Chance seines Lebens 

Zdzisław Krasnodębski, Europaabgeordneter der Partei Recht und Gerechtigkeit, habe in einem Interview angedeutet, dass der Chef der Volkspartei PSL Władysław Kosiniak-Kamysz vor der Chance seines Lebens stehe, vorausgesetzt, er würde einer Koalition mit der noch regierenden PiS zustimmen. Eine Regierung mit einem PSL-Premierminister wäre eine große Chance für die PSL. Für Kosiniak-Kamysz wäre es vielleicht eine einmalige Chance, Premierminister zu werden, meint der Europaabgeordnete.

Die Koalitionsgespräche der Opposition würden mühselig verlaufen, führt der Politiker fort. Dort gäbe es sogar die Idee einer Rotation der Ämter. Vorerst seien nur die Vorsitzenden des Sejm und des Senats gemeint, aber wenn es so weitergehen würde, könnte vielleicht der Posten des Premierministers ebenfalls rotieren. Wenn man genau hinsehe, gäbe es in den Koalitionsreihen keine größeren Programmähnlichkeiten, meint der Europaabgeordnete.

Im Interview habe man den Premierminister Mateusz Morawiecki gefragt, ob er sich eine Situation vorstellen könne, in der er in einer Regierung unter der Führung von Władysław Kosiniak-Kamysz sei. Morawiecki habe mit einem „Ja“ geantwortet. Auf die Frage, ob es sich bei dieser Aussage um einen ernsten Vorschlag handele, antwortete der Politiker, dass vorerst jene Partei, die die Wahlen gewonnen habe, eine Regierung bilden könnte. Sollte dies scheitern, werde es weitere Vorschläge geben, bemerkte Morawiecki. 

DO RZECZY: Problematische Investition 

Die Worte des PO-Chefs Donald Tusk könnten darauf hindeuten, dass die neue Regierung das Projekt des Zentralen Kommunikationsflughafens CPK nicht realisieren werde, stellt die Wochenzeitschrift Do Rzeczy fest. Die Opposition, die eine gemeinsame Regierung bilden wolle, sei sich nicht einig darüber, ob sie den Bau des Megaflughafens, unweit von Warschau, fortsetzen werde. Bei der Investition handle es sich um eines der wichtigsten Entwicklungsprojekte der scheidenden PiS-Regierung.

Bei einem Treffen mit seinen Befürwortern habe Donald Tusk gesagt, dass er aus Gründen der Vernunft lieber ein Taxi in Sopot nehmen würde, um in 20 Minuten zum Flughafen zu gelangen, als zum Bahnhof zu gehen, in einen Zug zu steigen und nach Baranów zwischen Łódź und Warschau zu fahren. Man werde ein detailliertes Audit durchführen, um zu sehen, wie sehr eine solche Lösung in Polen benötigt werde, betonte Tusk. Die Skepsis des höchstwahrscheinlich künftigen Regierungschefs scheint die Mehrheit der befragten Polen jedoch nicht zu teilen. Über 51 Prozent der Polen wollen, dass der Bau des Zentralen Kommunikationshafens auch nach dem Regierungswechsel fortgesetzt werde, zeigt eine Umfrage von United Surveys, lesen wir in der Wochenzeitschrift.



Autor: Jakub Kukla