Deutsche Redaktion

"Ukrainischer EU-Beitritt als Herausforderung"

09.11.2023 10:04
Zu Kriegsbeginn war die Solidarität mit der Ukraine in Polen groß. Angesichts reeller struktureller und wirtschaftlicher Konsequenzen, werde die Entschlossenheit Polens, die Ukraine in die EU aufzunehmen, nun jedoch auf eine harte Probe gestellt. Außerdem: So unangenehm es für ihn persönlich sein werde. Laut Vize-Außenminister Mularczyk sei auch der mit Berlin sympathisierende Donald Tusk dazu verpflichtet, die Entschädigungsforderungen an Deutschland fortzuführen. Und: Der Chef der Präsidialkanzlei, Marcin Mastalarek sieht die Oppostion für eine Machtübernahme weitgehend unvorbereitet und bezeichnet Kritik an der Entscheidung des Staatspräsidenten, Morawiecki mit der Regierungsbildung zu beauftragen, als "rituelle Empörung". Die Einzelheiten in der Presseschau.
Ukraina spełniła dwa z siedmiu warunków koniecznych do rozpoczęcia procesu akcesji do UE
Ukraina spełniła dwa z siedmiu warunków koniecznych do rozpoczęcia procesu akcesji do UEMariana Serdynska/Shutterstock

RZECZPOSPOLITA: Ukrainischer EU-Beitritt als Herausforderung

Dieser Herzensreflex habe auf der ganzen Welt Bewunderung erregt: als vor fast zwei Jahren die russische Invasion begann, hätten Hunderttausende Ukrainer Zuflucht in polnischen Häusern gefunden, erinnert das Blatt Rzeczpospolita in seinem Kommentar. Die damalige polnische Regierung habe auch eine konsequente Kampagne unternommen, um westliche Hauptstädte davon zu überzeugen, die ukrainische Armee so weit wie möglich zu unterstützen, und habe selbst einen erheblichen Teil der Waffen aus den Beständen der polnischen Armee an die Ukrainer überreicht. Mit der Zeit habe diese Begeisterung jedoch nachgelassen. Nun werde die Entschlossenheit Polens, die Ukraine in die EU aufzunehmen, auf die Probe gestellt, lesen wir weiter. Deutschland und Frankreich hätten neben anderen EU-Ländern Reformen zur Voraussetzung für die Erweiterung der Gemeinschaft gemacht. Dabei gehe es insbesondere um die Einschränkung des Vetorechts bei Beschlüssen des EU-Rats in Außen- und Finanzangelegenheiten sowie um die Stärkung der Instrumente, die der Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit dienen. Die Argumente für eine solche Änderung seien schwer zurückzuweisen: Ein Block von 35 Ländern werde keine Bedeutung in der Welt haben, wenn selbst sein kleinstes Mitglied eine strategische Lösung in der internationalen Politik blockieren könne. Allerdings falle es Polen, einem Land, das vor weniger als vier Jahrzehnten die volle Souveränität wiedererlangt habe, schwer, dem zuzustimmen. Werde es ihm gelingen, seine tiefsitzenden Ängste im Namen der geopolitischen Revolution zu überwinden, die der Beitritt der Ukraine zur EU bedeuten würde? – fragt die Tageszeitung.

Außerdem würden auch die wirtschaftlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Beitritt der Ukraine für unser Land schwierig sein. Die Getreidefrage sei nur ein Vorgeschmack gewesen. Auf dem Binnenmarkt würde für Polen ein gigantischer Konkurrent entstehen, der deutlich niedrigere Produktionskosten habe und dessen Exportangebot sich weitgehend mit dem polnischen überschneide. Nach dem EU-Beitritt würden auch die Kosten für den Wiederaufbau der Ukraine so hoch sein, dass Warschau wahrscheinlich Nettozahler für den Gemeinschaftshaushalt werden würde. Aus ähnlichen Gründen habe Frankreich sieben Jahre lang den Beitritt Spaniens blockiert. Erst Bundeskanzler Helmut Kohl habe Madrid 1986 in die EU gebracht. So viel Zeit bleibe der Ukraine nicht, denn Moskau werde alles darauf setzen, Kiew wieder in seinen Einflussbereich zu bringen, lautet das Fazit in der Tageszeitung Rzeczpospolita.

DO RZECZY: Wie geht es weiter mit den Entschädigungsforderungen?

Das Thema der Reparationen aus Deutschland stehe ganz oben auf der nationalen und internationalen Agenda, sagt Vize-Außenminister Arkadiusz Mularczyk in einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift DoRzeczy. Auf die Frage, ob die heutige Opposition unter Donald Tusk nach dem Machtwechsel die Entschädigungsfrage weiterführen werde, antwortet der Politiker, das es für Tusk größtenteils ein unangenehmes Thema sei. Er verdanke einen Teil seiner Karriere der Unterstützung von Bundeskanzlerin Merkel und später der von Deutschland geführten EVP-Fraktion. Es bestehe aber eine gesellschaftliche und politische Erwartung, die sich auch aus dem im letzten Jahr verabschiedeten Sejm-Beschluss ergebe, dass dieses Thema fortgeführt werde. Der anschließende Ministerratsbeschluss verpflichte jede Regierung außerdem, sich mit dieser Angelegenheit zu befassen und Wiedergutmachung von Deutschland zu fordern, aber auch, die Arbeit am Bericht über die durch die Sowjetunion in den Jahren 1939–1945 verursachten Verluste fortzusetzen. Das ist ein Thema, das auf nationaler und internationaler Ebene absolut weit oben stehe. Die gesellschaftliche und politische Erwartung, dass es umgesetzt werde, ist hoch, stellt Vize-Außenminister Arkadiusz Mularczyk in einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift DoRzeczy fest.

SUPER EXPRESS: Rituelle Empörung

Es sei Mateusz Morawiecki, der vom Präsidenten Andrzej Duda den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten habe, erinnert die Tageszeitung Super Express. Es scheine zugleich sicher zu sein, dass die Opposition, die im neuen Sejm über eine Mehrheit verfüge, die Macht übernehmen werde. Die Zahlen seien für die PiS unerbittlich. Dennoch übe ein Minister in der Präsidialkanzlei scharfe Kritik an den Oppositionsgruppierungen. Die Opposition sei, laut Marcin Mastalerek, noch weit von einer Einigung entfernt. Es sei klar, dass sie komplett unvorbereitet sei. Sie habe keinen Koalitionsvertrag, sie habe keine Vereinbarung darüber, wer das Amt des Sejmmarschalls übernehmen werde, sie sei erst dabei, die Ministerien untereinander aufzuteilen. Die Kritik an der letzten Entscheidung des Präsidenten, dem bisherigen Premierminister die Mission einer Regierungsbildung anzuvertrauen, empfinde er in erster Linie als rituelle Empörung. In der Tat seien die oppositionellen Gruppierungen auf die Machtübernahme nicht vorbereitet, meint der enge Mitarbeiter des Präsidenten in Super Express.

Autor: Jakub Kukla