Deutsche Redaktion

"Durch die Europäische Staatsanwaltschaft zurück zum Hauptstrom der EU"

15.12.2023 13:52
Wozu braucht Premierminister Tusk den Beitritt zur Europäischen Staatsanwaltschaft, deren Effektivität eher umstritten ist? Im Kampf um die Medien springt das Verfassungsgericht der abtretenden Vereinigten Rechten zur Seite. Und: Die nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie wirft der neuen Regierung einmal mehr einen Anschlag auf die Meinungsfreiheit vor. Die Einzelheiten in der Presseschau.
Marcni Warchoł poinformował, że prokuratura okręgowa w Warszawie zajmie się tzw. aferą wiatrakową
Marcni Warchoł poinformował, że prokuratura okręgowa w Warszawie zajmie się tzw. aferą wiatrakowąIAR/Krystian Dobuszyński

Rzeczpospolita: Durch die Europäische Staatsanwaltschaft zurück zum Hauptstrom der EU

Tomasz Pietryga beleuchtet in seinem Kommentar für die konservativ-liberale 'Rzeczpospolita' die politische Bedeutung des Beitritts Polens zur Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) für Donald Tusk und die frisch ernannte polnische Regierung. Der Schritt, so der Autor, sei vor allem ein klares politisches Signal an Brüssel, dass Polen bereit ist, sich wieder in den Hauptstrom der EU-Entwicklung einzureihen, besonders im Hinblick auf die föderale Vision der Union.

Die Entscheidung zum Beitritt, initiiert von dem neuen Justizminister Adam Bodnar, sei von Donald Tusk in Brüssel betont worden. Wie Pietryga erinnert, sei die EPPO ein Instrument, mit dem die EU Verbrechen gegen die Gemeinschaft, insbesondere finanzielle Vergehen, aufdecken will. Insbesondere in Ländern, wo Bedenken bezüglich der Unabhängigkeit der Gerichte und des Fehlens von Anti-Korruptionsmaßnahmen bestehen.

In der Praxis, lesen wir weiter, sei die Effektivität der EPPO umstritten. In der EU gebe es weder ein einheitliches Strafverfahren noch ein gemeinsames Strafgesetzbuch. Die europäischen Staatsanwälte seien daher oft nationale Staatsanwälte, die sich in der jeweiligen nationalen Realität besser auskennen. Zudem komme es auch vor, dass Staatsanwälte teilweise für ihr eigenes Land und teilweise für die EPPO arbeiten, wodurch sie in ihren jeweiligen nationalen Kontexten verhaftet bleiben.

Donald Tusk zeige jedoch den EU-Kommissaren heute, dass Polen einen EU-Wächter im Land haben möchte, ein zusätzliches „Auge“, das Unregelmäßigkeiten aufspürt. Und dass sich Warschau davor nicht scheut. Für Brüssel sei das ein wichtiges Signal, denn die Kommissare seien überzeugt, dass die Unabhängigkeit der polnischen Gerichte immer noch eingeschränkt ist. Sie glauben, dass, wenn ein Gericht nicht unabhängig ist, auch die EU-Finanzen gefährdet sein könnten. Aus Sicht Brüssels gebe es keine Gewissheit, dass ein solches Gericht ein gerechtes Urteil fällen und die Staatsanwaltschaft eine überzeugende Anklage vorbringen wird.

Der Beitritt zur EPPO habe auch eine enorme politische Bedeutung. Es sei eine der wichtigen Institutionen, die Teil des Aufbaus einer zentralisierteren EU sind, in der immer mehr Kompetenzen von den nationalen Systemen an die Zentrale übertragen werden. Die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sei gegen die Übertragung dieser Kompetenzen gewesen, erinnert Tomasz Pietryga in der Rzeczpospolita.

Gazeta Wyborcza: Verfassungsgericht will Änderungen in öffentlichen Medien blockieren

Eine wichtige Front im Kampf zwischen der abtretenden und frisch ernannten Regierung ist das Ringen um die öffentlichen Medien. Die Koalitionsregierung unter Donald Tusk hat Änderungen in den Medien versprochen, die Vereinigte Rechte will diese blockieren. Und bekommt dabei nun, wie die linksliberale Gazeta Wyborcza berichtet, Unterstützung vom Verfassungsgericht. Dieses habe, so die Zeitung, auf Antrag der Abgeordneten der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eine einstweilige Verfügung erlassen, die darauf abzielt, Änderungen im polnischen Fernsehen (TVP) und im polnischen Radio zu verhindern. Die Entscheidung sei von einem fünfköpfigen Richtergremium unter Leitung von Julia Przyłębska getroffen worden, zu dem auch zwei ehemalige PiS-Abgeordnete gehörten. Die Verfügung verbiete jegliche Handlungen, die auf die Liquidation oder Auflösung dieser Unternehmen oder Änderungen in ihren Vorständen abzielen.

Prof. Michał Romanowski, Anwalt in der Kanzlei Romanowski i Wspólnicy, bezeichnet das Vorgehen des Gerichts im Gespräch mit Gazeta Wyborcza als rechtswidrig und argumentiert, dass die Entscheidung keine rechtlichen Folgen hat, da sie von einem fehlerhaft zusammengesetzten Gremium getroffen wurde. Er kritisiert auch, dass die Angelegenheit überhaupt vor das Verfassungsgericht gebracht wurde, da TVP und das polnische Radio als staatliche Unternehmen den Regeln des Handelsrechts unterliegen. Die Klage der PiS-Abgeordneten gegen eine Bestimmung des Rundfunk- und Fernsehgesetzes, die die Liquidation und Auflösung dieser Unternehmen sowie die eigenständige Abberufung von Vorstandsmitgliedern ermöglicht, wird von Romanowski als kurios und unbegründet angesehen.

Gazeta Polska Codziennie: Tusk will die Medien rechtswidrig übernehmen, die Polen sagen “Nein”

Der Kampf um die öffentlichen Medien ist auch ein führendes Thema in der nationalkonservativen Gazeta Polska Codziennie. “Tusk will die Medien rechtswidrig übernehmen” - alarmiert die Zeitung in ihrem Aufmacher und berichtet über einen Protest gegen die Versuche der “illegalen Übernahme”, auf die sich die neue Regierung vorbereitet, der gestern, auf Initiative der Zeitung, vor dem Hauptsitz des Fernsehsenders TVP in Warschau stattgefunden hat. Zuvor hätten Helden aus Zeiten des Kommunismus einen entschiedenen Protest gegen die “Zensurvorhaben” der neuen Regierung formuliert. Laut inoffiziellen Informationen wolle die Bürgerplattform an der Spitze des täglichen Nachrichtenprogramms einen TVN-Journalisten installieren, der “durch die Beschimpfung des sterbenden Heiligen Johannes Pauls II.” auf sich aufmerksam gemacht habe, so Gazeta Polska Codziennie.

Autor: Adam de Nisau