Deutsche Redaktion

Wer profitiert und wer verliert durch die Begnadigung von Wąsik und Kamiński?

25.01.2024 13:19
Sowohl Regierungschef Donald Tusk als auch die Politiker der oppositionellen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) seien sich einig. Die Entlassung von Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik aus dem Gefängnis, nachdem sie vom Präsidenten begnadigt wurden, ist nicht das Ende, sondern erst der Anfang der Geschichte, schreibt Michał Szułdrzyński in einem Kommentar für die liberal-konservative Rzeczpospolita.
Justizminister Adam Bodnar
Justizminister Adam BodnarPAP/Paweł Supernak

Rzeczpospolita: Wer profitiert und wer verliert durch die Begnadigung von Wąsik und Kamiński? 

Der Chef der liberalen Regierungspartei (KO) hoffe, dass die Verantwortung der beiden entlassenen Politiker für ihre Bespitzelung von politischen Gegnern mit der Abhörsoftware Pegasus weiterhin für Schlagzeilen sorgen werde.

Die Entscheidung des Präsidenten sei daher für die Regierungskoalition von Vorteil, lesen wir. Andrzej Dudas Begnadigung mache das Thema aktuell, liefere Argumente für die Kritik am Veto-Recht des Präsidenten. Sie verstärke zudem den Unmut der Anhänger der neuen Koalition über das Verhalten von Andrzej Duda und des konservativen Parteiführers Jarosław Kaczyński, schreibt der Autor.

Für die PiS indes, heißt es weiter, sei die ganze Situation verwirrend. Die Opposition sei zwar froh, dass die beiden aus dem Gefängnis herauskamen. Aber aus einer völlig zynischen Sicht seien Kamiński und Wąsik im Gefängnis viel wertvoller als auf freiem Fuß, überzeugt Szułdrzyński. Die Geschichte der, nach Ansicht der Opposition, „politischen Gefangenen", Bilder von Demonstrationen vor den Gefängnissen, mit wehenden Fahnen - all das habe konservative Wähler mobilisiert. Wąsik und Kamiński außerhalb der Zellen seien für Kaczyński weniger nützlich, glaubt der Autor. Jetzt bleibe der PiS nur noch der Kampf um ihre Parlamentssitze. Der Streit darüber, ob die beiden das Recht haben, den Sitzungssaal des Sejm zu betreten, sei jedoch weit weniger politisch brisant als die Legende von den sogenannten „politischen Gefangenen".

Und genau deshalb werde der politische Konflikt in den nächsten anderthalb Jahren eher zunehmen als ausbrennen, glaubt Szułdrzyński. In den kommenden Monaten werde dies sowohl für die PO als auch für die PiS ein Mittel sein, um die politischen Emotionen im Land anzuheizen. Geht es nach dem Autor, erwarte dies die Polen bei den anstehenden Kommunal- und Europawahlen. Der Höhepunkt werden die Präsidentschaftswahlen sein, heißt es am Schluss. Sie würden nämlich darüber entscheiden, ob das Lager der Recht und Gerechtigkeit seinen Einfluss auf die Realität vollständig verliere und Donald Tusk dann diese Realität ohne die Bremse der parlamentarischen Koexistenz nach Belieben umgestalten könne, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita. 

Dziennik: Wird Duda mit Tusk klarkommen und die PiS-Hardliner missachten? 

Wenn Polens Politiker das Justizsystem in den Griff bekommen wollen, könnte vielleicht ein kleiner runder Tisch ausreichen - Verhandlungen zwischen der Regierungskoalition und dem Präsidialamt, sagt indes der Politologe der Universität Warschau, Dr. Olgierd Annusewicz, in einem Interview mit dem Online-Blatt dziennik.pl. Politiker und Juristen fast aller politischen Lager streiten darüber, wie man aus der gegenwärtigen Sackgasse im Justizwesen herauskommt. Geht es nach Annusewicz, herrscht heute in Polen nämlich ein Dualismus, zumal verschiedene Seiten der politischen Szene dieselben Vorschriften unterschiedlich interpretieren.

In diesem Tunnel ohne scheinbaren Ausweg schimmert jedoch ein Licht. Einige Parlamentarier drängen auf die Notwendigkeit von Änderungen auf Verfassungsebene. Nach Ansicht von Dr. Annusewicz sind die Chancen dafür in Polen aufgrund der hitzigen Atmosphäre jedoch eher gering. Was die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in den letzten Jahren mit dem Justizsystem angestellt hat, müsse zwar korrigiert werden, so der Akademiker. Aber die Methoden des aktuellen Regierungslagers bei der Verabschiedung von Gesetzen, gegen die dann der Präsident sein Veto erhebt, seien sinnlos. Sie würden an der Rechtsstaatlichkeit vorbeigehen. Damit schreite die Belastung der Demokratie Polens nur weiter voran, urteilt der Politologe.

Nach Annusewicz hängt der Ausgang dieses Debakels größtenteils vom Präsidenten ab. Dieser spiele heute auf zwei Klavieren. Einmal spiele er auf Zuspitzung und Verständigung mit dem harten Kern der Wählerschaft seiner Partei, aber von Zeit zu Zeit ändere er seine Sprechweise und verhalte sich versöhnlicher. So sei es bei der Ernennung der Regierung von Donald Tusk gewesen.

Nach Ansicht des Politologen macht es im Hinblick auf die langfristigen Interessen sowohl von Duda als auch der Recht und Gerechtigkeit am meisten Sinn, weiterhin geschickt auf zwei Klavieren zu spielen. Andrzej Duda habe hierfür das größte Potenzial. Alle anderen seien zu stark in den emotionsgeladenen Parlamentswahlkampf verstrickt gewesen. Nur Duda habe sich etwas abseits gehalten, urteilt Dr. Olgierd Annusewicz abschließend im Gespräch mit dziennik.pl. 

DoRzeczy: Kontroverse um angeblich gewaltsame Änderung des Staatssystems in Polen 

Gemäß Medienberichten hat der neue Justizminister und gleichzeitig Generalstaatsanwalt, Adam Bodnar, gestern versucht, das Gebäude der Staatsanwaltschaft in Begleitung der Strafvollzugsbehörde gewaltsam zu besetzen. Die Meinungen darüber, ob dies legal oder illegal war, gehen auseinander.

Der Vorsitzende der Oppositionspartei sieht in diesem Vorgehen einen gewaltsamen Regimewechsel in Polen und fordert eine Strafe von 10 Jahren bis lebenslänglich.

Der Chefredakteur des rechtskonservativen Wochenblatts „Do Rzeczy“, Paweł Lisicki, äußert die Ansicht, dass vor unseren Augen eine Veränderung des Staatswesens stattfindet. Er bezeichnet es als schleichenden Putsch oder eine Art Ausnahmezustand. Nach Lisickis Einschätzung werden Entscheidungen getroffen, die nicht wirklich rechtlicher Natur sind, und das Gesetz dient lediglich als Schleier. Trotz der Gewaltenteilung werde die gesamte Macht auf die parlamentarische Mehrheit übertragen. Diese habe die Befugnis, Gesetze zu ändern, unwiderrufliche Beamte zu entlassen und die Amtszeiten von Parlamentariern zu unterbrechen, so der Chefredakteur von „Do Rzeczy“. Für Lisicki ist dies ein bewusster Versuch, das Land aufzulösen oder einen Bürgerkrieg anzuzetteln.


Rzeczpospolita: Die dunkle Seite der Migration: Alkohol am Steuer

Der Zustrom Tausender Ausländer nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine spiegele sich auch in der Kriminalstatistik wider, schreibt Rzeczpospolita. Autofahren mit Alkohol im Blut sei jetzt eine noch größere Plage in Polen, heißt es. Nach Angaben der Polizei sei sie seit dem letzten Jahr sogar um 83 Prozent gestiegen. Betrunkene Ausländer würden selbst vor dem Verlust des Führerscheins nicht zurückschrecken, lesen wir.

Insgesamt hätten im vergangenen Jahr in Polen über 17.000 Ausländer Straftaten begangen. Aufgrund des Ausmaßes der Migration wurden Personen mit ukrainischem Staatspass am häufigsten Verbrechen begehen. Sie stellen mehr als die Hälfte der angeklagten Ausländer dar. Als nächstes kommen Georgier und Weißrussen, gefolgt von Bürgern aus Moldawien und Russland.

Das Fahren mit Alkohol stehe zudem im Zusammenhang mit einem neuen besorgniserregenden Phänomen: der zunehmenden Plage von Verstößen gegen gerichtliche Verbote des Autofahrens unter Alkoholeinfluss. Geht es nach Straßenverkehrs-Experten, leben in Polen derzeit 2,5 Millionen ukrainische Bürger. Es handle sich deshalb bei diesem Phänomen um einen Skaleneffekt. Vielleicht trinken sie auch mehr und achten nicht auf den Zustand, in dem sie sich ans Steuer setzen. Dies könne auf verschiedene, auch kulturelle, Gründe zurückzuführen. Manche Ausländer würden sich auch ungestraft fühlen, weil sie oft keinen Wohnsitz in Polen haben.

Straßenkontrollen allein reichen nicht aus, lesen wir des Weiteren. Man müsse Ausländern bewusst machen, dass das Fahren unter Alkoholeinfluss in Polen streng bestraft wird und nicht erlaubt ist. Auch die Zahl der durch ausländische Fahrer verursachten Unfälle nehme leicht zu. Auch hier sei Alkohol und rücksichtsloses Fahren die Hauptursache. Anklagen beträfen auch Diebstahl und Drogenbesitz.

Sind die Schattenseiten der Migration unvermeidlich, fragt das Blatt abschließend einen Kriminologen. Es gebe immer mehr Ausländer in Polen. In ihren Ländern hätten sie oft Angst davor, das Gesetz zu missbrauchen. In Polen aber glauben sie, dass ihnen als Gästen mehr erlaubt sei, so der Experte. Es sollte deshalb mehr soziale Kampagnen geben, die das Bewusstsein für die Folgen von Gesetzesverstößen schärfen, so das Fazit in der Rzeczpospolita.


Autor: Piotr Siemiński