Deutsche Redaktion

"Polens Premierminister will Europa wachrütteln"

02.04.2024 13:42
Tusk hat in seinem ersten Interview nach Amtsantritt an Photos erinnert, auf denen sich Menschen 1939 in guter Stimmung an den Stränden von Sopot gesonnt hätten. Kurz darauf sei der Krieg ausgebrochen. Wird der Premierminister es schaffen, den Westen wachzurütteln? Aus mitteleuropäischer Sicht sind Hoffnungsschimmer in den Beziehungen zu Russland eher eine Ausnahme, sagt der US-Historiker Douglas Smith. Und: "Chinesische Werft" in Gdańsk lässt Schiff der US-Marine nicht andocken. Die Einzelheiten zu diesen Themen in der Presseschau.
Donald Tusk dla prasy o pakcie migracyjnym: to nie jest dobra odpowiedź na problemy w Polsce
Donald Tusk dla prasy o pakcie migracyjnym: to nie jest dobra odpowiedź na problemy w PolscePAP/DPA/Christoph Soeder

Rzeczpospolita: Donald Tusk sagt eine schreckliche Zukunft voraus

In seinem ersten Interview seit Amtsantritt hatte Polens Premierminister letztens betont, Europa lebe in einer Vorkriegszeit. Der Krieg sei keine Abstraktion mehr. Bisher habe noch kein anderer EU-Spitzenpolitiker in so deutlichen Worten über die Zukunft des Kontinents gesprochen, schreibt Jacek Nizinkiewicz in der Rzeczpospolita. Der Regierungschef, so der Autor, habe in dem Interview Schlüsse aus den Vorfällen gezogen, bei denen russische Raketen den polnischen Luftraum verletzt hatten. Diese hätten gezeigt, dass Polen und gleichzeitig das Gebiet der EU- und NATO zunehmend von Russlands Krieg in der Ukraine bedroht seien. Tusk habe in dem Interview an Photos erinnert, auf denen sich Menschen 1939 in guter Stimmung an den Stränden von Sopot gesonnt hätten. Kurz darauf sei der Krieg ausgebrochen.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez, lesen wir, habe an Tusk im Vorfeld des Interviews appelliert, die öffentliche Meinung nicht unnötig zu beängstigen und das Wort „Krieg" nicht öffentlich zu verwenden. Spanier, so die Begründung, würden solche Drohungen nicht hören wollen. Sie würden für sie abstrakt klingen. Aus der Sicht des polnischen Premierministers, sei „Krieg" für Polen schon lange kein abstrakter Begriff mehr. Und er sollte es auch für andere nicht mehr sein. Tusk wolle die EU-Bevölkerung und vor allem die Regierungen wachrütteln, lesen wir im Blatt.

Tusk verstehe zwar, dass die Sicherheitslage Polens, das vier Prozent des BIP für Verteidigungszwecke ausgebe, schwieriger sei als die Situation Spaniens oder Italiens. Aber zwei Prozent des BIP seien einfach ein Muss, insbesondere im Vorfeld des ungewissen Ausgangs der US-Präsidentschaftswahlen.

In Polen, so Nizinkiewicz, müsse die Gesellschaft nicht mehr geweckt werden. Schlimmer sehe die Situation im Westen aus. Tusk, so Nizinkiewicz, sei ein anerkannter europäischer Politiker, der als ehemaliger Präsident des Europäischen Rates Vertrauen genieße. Seine Stimme, als des Premierministers eines Landes, das an das Opfer von Putins Krieg grenze, sollte in der Welt hörbar sein. Hier gehe es nicht um Politik, parteipolitische Egoismen oder das Sammeln von Umfragepunkten im Krieg. Es gehe um das Gefühl einer realen Bedrohung und den Aufruf zur Aufrüstung und Verteidigung. Ohne sich auf einen Kriegsmodus umzustellen, auch wirtschaftlich, würden die NATO-Staaten Putin nicht abschrecken. Und wenn die Ukraine nicht standhalte, werde Putin über ihre Leiche hinweg weitermarschieren. Das nächste Opfer werde Polen sein. Werden die EU-Führer dann auch bitten, nicht über Krieg zu sprechen und die Gesellschaft nicht zu erschrecken? Die Bedrohung sei real und darüber gebe es nichts zu diskutieren, obwohl man sich wünschen würde, dass Donald Tusk sich in jedem Wort des gegebenen Interviews irre. Ostern, so der Autor abschließend, sei keine gute Zeit, um über Krieg zu diskutieren, aber wenn wir Frieden wollen, sollten wir uns vorbereiten, denn das nächste Ostern könnte ganz anders aussehen, warnt Jacek Nizinkiewicz in der Rzeczpospolita.

Wprost: Russland löst Enttäuschung aus, die an Abscheu grenzt

Die Wochenzeitung Wprost veröffentlicht ein Interview mit dem amerikanischen Russland-Historiker Douglas Smith. Sein Buch unter dem Titel „Die russische Mission. Die vergessene Geschichte, wie Amerikaner die Sowjetunion vor dem Zusammenbruch retteten”, ist gerade in Polen erschienen.

Wie Smith erklärt, habe man im Westen lange Zeit den naiven Glauben an die Geburt eines anderen, besseren Russlands gehegt. Ungeachtet der wechselnden Regime und Reformversuche hätten die Russen jedoch stets an der Kontinuität derselben Ausrichtung ihres Landes festgehalten. Schon vor 100 Jahren hätten die Amerikaner, als sie den Bolschewiken halfen, geglaubt, dass nichts das Land retten könne, so der Historiker.
Russland habe immer in irgendeiner Form mit dem Westen gekämpft, lesen wir weiter. Fälschlicherweise habe es dies immer als einen Kampf ums Überleben verstanden. Putins Russland schiebe gerne, wie schon das bolschewistische Russland vor ihm, den USA und Europa die Schuld an allem in die Schuhe. Geht es nach dem Historiker, sei der Grund dafür immer die wachsende Enttäuschung über das, was in Russland passiere. Diese Enttäuschung grenze sogar an Abscheu, heißt es. Sie setze voraus, dass es sich in solchen Situationen um eine Art Anomalie handle. Aus polnischer oder mitteleuropäischer Sicht seien jedoch Momente, in denen es keinen Grund zur Frustration oder Abscheu gegenüber der russischen Politik gebe, äußerst kurz. Sie seien eher eine Art zufälliges Ereignis in der langfristigen und demütigenden Politik der Kreml-Elite.

Geht es nach dem Autor, herrsche in Russland damit eine gewisse Kontinuität. Egal ob es sich um das zaristische System, das kommunistische Regime oder die derzeitige Herrschaft Putins handle. Unter der Oberfläche der verschiedenen Ströme, die versuchen, Russland zu verändern, gebe es immer eine Reihe von Personen, die die Kontinuität des ewigen Geistes des russischen Staates bewahren, sagt Russland-Kenner Douglas Smith im Gespräch mit Wprost.

Dziennik/Gazeta Prawna: „Chinesischer Hafen" in Polen weist US-Schiff ab

Das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna macht darauf aufmerksam, dass ein chinesisches Unternehmen Eigentümer einer wichtigen Hafeninfrastruktur in Polen geworden ist. Anlass für den Artikel ist eine Situation, bei der vor Kurzem das Frachtschiff der US-Marine "Cape Ducato" nicht an der Werft von Hutchison Ports Gdynia andocken konnte. Wie Maciej Miłosz in seinem Beitrag erinnert, sehe die NATO China seit dem NATO-Gipfel in Vilnius im Juni 2023 deutlich als sicherheitspolitische Herausforderung an.

Der Vorsitzende des parlamentarischen Komitees für Nationale Sicherheit will nun, so die Zeitung, dass die sogenannte chinesische Werft, die zum Hafen von Gdynia gehört und an ein Unternehmen mit chinesischem Kapital verpachtet ist, formell als kritische Infrastruktureinrichtung anerkannt wird. Dadurch würde sie unter der Kontrolle des Regierungszentrums für Sicherheit stehen. Wie die Zeitung aus dem Infrastrukturministerium erfuhr, müssten Regelungen, die Fragen des Eigentums oder anderer Rechte an Immobilien im Seehafen betreffen könnten, jedoch auf gesetzlicher Ebene eingeführt werden.

Aber auch dies könnte den Geschäftsbetrieb des Hafens nicht unbedingt beeinträchtigen. Wenn das Unternehmen in Friedenszeiten nicht möchte, dass ein US-Kriegsschiff an seinem Kai festmacht, könne es nicht dazu gezwungen werden, lesen wir im Blatt.

Autor: Piotr Siemiński