Rzeczpospolita: Migrationsdruck könnte mit politischem Ku Klux Klan enden
Die oppositionelle PiS und die extreme Rechte radikalisieren ihre Rhetorik über die Immigration. Wenn die Koalition nicht die Kontrolle über die Ereignisse an der Grenze zurückgewinne und den Polen kein Gefühl der Sicherheit vermittle, könnten soziale Emotionen zu politischer Munition für die Opposition werden. Auf den Straßen könnte es zu Selbstjustiz kommen, warnt Jacek Nizinkiewicz in der liberal-konservativen Rzeczpospolita.
Der Vize-Sejmmarschall aus der extremen Rechten appellierte im Mai an die „Schließung der Grenze für illegale Einwanderer aus Deutschland“ sowie an die „Erschwerung der Überführung von Einwanderern aus Deutschland“. Die Regierung betonte damals, die Situation sei unter Kontrolle. Bis jetzt, lesen wir.
Obwohl Donald Tusk in der ersten Juni-Hälfte noch nicht ausschloß, Grenzkontrollen an der polnisch-deutschen Grenze einzuführen, kündigte er gestern die temporären Kontrollen an der Grenze zwischen Polen und Deutschland sowie Polen und Litauen erst für den 7. Juli an. Was hat diesen Kurswechsel verursacht, fragt der Autor.
Die politische Situation in Polen und Deutschland ist ähnlich, heißt es weiter. Die Regierungen beider Länder wollen keinen Anstieg der Popularität der radikalen Rechten, die als Schwäche des Staates gelte. Der Mechanismus sei ähnlich. Der unkontrollierte Zustrom von Migranten löse gesellschaftliche Ängste und Emotionen aus. Diese werden von rechten Gruppierungen ausgenutzt. Die konservative PiS, die nationalistische Konföderation und die rechtsradikale Partei von Grzegorz Braun würden den sozialen Puls spüren und auf die Ängste der Menschen eingehen. Wie wir lesen, fürchten die Polen eine Überflutung mit illegaler Migration. Sie möchten nicht, dass ihr Land wie Frankreich oder andere EU-Länder von weder arbeitenden noch sich assimilierenden Ausländern überflutet werde.
Die PiS-Partei ist mit dem Nationalisten und Mitorganisator der selbsternannten Grenzpatrouillen, Robert Bąkiewicz, verbunden, fährt der Autor fort. Diese versuchen, Aufgaben der Grenzschutzbehörde zu übernehmen, geraten jedoch manchmal mit ihr in Konflikt. Die Situation sei ernst, so Nizinkiewicz, da sich die selbsternannten Grenzkontrollen verhalten, als hätten sie die Befugnis, Bürger zu kontrollieren und Autos zu überprüfen, die ein- oder ausreisen. Es sei gefährlich, weil die staatlichen Behörden keine Kontrolle über diese Patrouillen haben.
Während der Krise an der polnisch-weißrussischen Grenze im Jahr 2023 hätte es Stimmen gegeben, erinnert der Autor, auf Immigranten zu schießen, die illegal die polnische Grenze überqueren. Für Politiker seien Worte ein politisches Werkzeug. Für die Bürger, die oft einfach um ihre Sicherheit und die ihrer Angehörigen fürchten, können Emotionen gefährlich sein. Solche Botschaften könnten wörtlich genommen werden. In Polen habe es bereits Versuche von Selbstjustiz gegenüber Bürgern anderer Hautfarbe gegeben, schreibt das Blatt.
Wenn Tusk den Polen kein Gefühl der Sicherheit vermittle, keine Ruhe in den Emotionen schaffe und nicht dafür sorge, dass Polen nicht zu einem zweiten Marseille wird, werde er einen gesellschaftlichen Aufstand riskieren. Davon würde nur die Opposition und radikale Rechte profitieren. Denjenigen, die um ihre Sicherheit und die ihrer Angehörigen fürchten, würde es dann nicht schwerfallen, selbst militante Gruppen zu bilden. Eine Art politischen Ku Klux Klan zu bilden, der im Namen der Sicherheit aller auf eigene Faust Gerechtigkeit übt. Es sei deshalb höchste Zeit, diese schlechten Emotionen im Keim zu ersticken . Die Regierung müsse zeigen, dass der Staat funktioniere, handlungsfähig sei und von den Sicherheitskräften kontrolliert werde. Gefährliche Eigeninitiativen könnten alles in Brand setzen. Der Weg zur Hölle sei schließlich mit guten Absichten gepflastert, lautet Jacek Nizinkiewiczs Fazit in der Rzeczpospolita.
Rzeczpospolita: „Koalition in der Krise: Stillstand statt Aufbruch“
Wie Michał Płociński indes für die Zeitung schreibt, wisse er nicht, wer Donald Tusk geraten habe, den Neustart der Regierung zu verzögern. Nach der verlorenen Präsidentschaftswahl würden die Wähler nämlich mit dem Gefühl zurückbleiben, dass sich in der Praxis nichts geändert habe. Alles bleibe beim Alten. War es vielleicht derselbe Berater, der später empfohlen habe, das Chaos an der Grenze zu Deutschland viele Tage sich selbst zu überlassen und sich stattdessen nur auf interne, politische Intrigen zu konzentrieren, fragt der Autor. Direkt nach der Wahl hatte der Premier einen starken Neustart versprochen. Stattdessen warte er weiter. Zuvor auf einen passenden Präsidenten. Und jetzt auf was?
Gleichzeitig werde immer deutlicher, dass die aktuelle Kondition der Regierungskoalition keine interessanten Perspektiven biete. Die Bauernpartei müsse erneut nach einer eigenen Position suchen. Gleiches gelte für ihren ehemaligen Koalitionspartner Polska 2050. Heute stehe diese ohne Struktur, ohne Plan und ohne klare Vorstellung da, lesen wir.
Unternehmer seien vom Koalitionsstillstand stark enttäuscht, heißt es. Sie hätten wie immer auf eine ernsthafte Beschäftigung mit den wirtschaftlichen Herausforderungen gehofft. Unternehmer wünschen sich Vorhersehbarkeit und Stabilität. Von ihnen höre man Klagen, dass der Dialog mit der Regierung nur eine Fassade sei, hinter der wenig passiere. Große Versprechen, wie etwa die Repolonisierung der Wirtschaft, bleiben leere Schlagworte. Deshalb zähle die Wirtschaft bereits die Schwerter und bereitet eine neue liberale Partei vor. Diese soll sich um die enttäuschten Wähler der aktuellen Koalition kümmern – eine Art nationalistische „Konföderation light“, schreibt Płociński.
Für Donald Tusk sei das paradoxerweise keine schlechte Nachricht, lesen wir weiter. So wie ihm im Jahr 2023 die Dritte Weg-Partei die Stimmen ihrer Wählern brachte, bei denen der KO-Chef keine große Unterstützung hatte, könnte ihm im Jahr 2027 ihr frischerer Nachfolger helfen. Er könnte die Begeisterung der liberalen Wähler neu entfachen. Sollte das nicht gelingen, könnte diese Wählergruppe von der nationalistischen Konföderation übernommen werden – und zwar keineswegs in einer light-Version, so das Fazit im Blatt.
DoRzeczy: Warum greifen junge Polen so oft zum Alkohol?
Junge Polen trinken immer mehr. Laut einer aktuellen Studie konsumieren über 80 Prozent der 18- bis 25-Jährigen in unterschiedlicher Häufigkeit Alkohol. Frauen sollen demnach häufiger als Männer angeben, Alkohol zu trinken. Vor allem Personen mit mittlerer Bildung und Einkommen unter dem Landesdurchschnitt.
Warum greifen junge Polen so oft zum Alkohol? Laut den Autoren des Berichts stünden junge Erwachsene vor vielen Herausforderungen im Studium und Beruf, gesellschaftlichen Erwartungen, einem enormen Erfolgsdruck und finanzieller Unsicherheit.
Alkohol sei für viele leicht zugänglich und helfe schnell beim Entspannen. Obwohl diese Bewältigungsstrategie nur kurzfristig Erleichterung bringe, führe sie mit der Zeit zu zunehmenden Problemen, heißt es. Wie die Autoren des Berichts zusammenfassen sollen, könne ein weiterer Grund für den fast täglichen Alkoholkonsum das Fehlen konstruktiver Alternativen sein. In vielen Umfeldern hätten junge Menschen keinen ausreichenden Zugang zu kulturellen, sportlichen oder sozialen Aktivitäten, die ihnen erlauben würden, ihre Zeit aktiv und kreativ zu gestalten. Deshalb werde Alkohol zu einer einfachen und weit verbreiteten Möglichkeit, Langeweile zu vertreiben – sowohl in Gesellschaft als auch alleine, schreibt das Portal des Wochenblatts DoRzeczy.
Autor: Piotr Siemiński