Deutsche Redaktion

Bürgermeister-Mandate: Mehrheit der Polen will Amtszeitbeschränkung beibehalten

30.10.2025 12:28
Die Regierungskoalition widerspricht in der Frage der Bürgermeister-Mandate den eigenen Wählern - aus simplen politischen Kalkül. Polnische Eltern geben im Schnitt knapp 215 Euro monatlich für private Zusatzkurse für ihre Kinder aus. Und: Bei Besuchen deutscher Schülergruppen in ehemaligen nationalsozialistischen Konzentrationslagern häufen sich skandalöse Zwischenfälle. Mehr dazu in der Presseschau.
Czujemy się oszukani - mówią aktywiści
Czujemy się oszukani - mówią aktywiściJACEK DOMINSKI/REPORTER

RZECZPOSPOLITA: Mehrheit der Polen will Amtszeitbeschränkung beibehalten

Die Regierungskoalition widerspricht in der Frage der Bürgermeister-Mandate den eigenen Wählern, stellt die Tageszeitung Rzeczpospolita fest. Die Mehrheit der Polen möchte, dass Bürgermeister nicht länger als zwei Amtszeiten im Amt bleiben dürfen. Laut einer Umfrage des Instituts IBRiS für das Blatt sprechen sich fast 47 Prozent der Befragten für die Beibehaltung der Amtszeitbegrenzung aus, während ca. 38 Prozent deren Abschaffung befürworten.

Die Zweitmandatsregel war 2018 von der damaligen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eingeführt worden, zugleich verlängerte sie die Amtszeit kommunaler Politiker von vier auf fünf Jahre. Begründet wurde die Reform mit dem Kampf gegen Missstände, die langjährige Amtsinhaber begünstigten. Ein echter Einschnitt steht 2029 bevor: Laut einer Analyse der Union Polnischer Metropolen könnten rund 61 Prozent  der aktuell amtierenden Bürgermeister, Gemeindechefs und Stadtpräsidenten nicht erneut kandidieren.

Die Bauernpartei PSL warnt vor einem kommunalen Tsunami, lesen wir weiter. Der Verlust erfahrener Amtsinhaber könne die Funktionsfähigkeit vieler Gemeinden gefährden, argumentieren die Politiker. Anfang Juli brachte die PSL daher einen Gesetzentwurf ein, um die von der PiS eingeführte Beschränkung wieder abzuschaffen. Was zunächst wie eine interne Initiative wirkte, entwickelte sich rasch zu einem zentralen Anliegen der gesamten Regierungskoalition.

Die Umfrage zeigt jedoch, dass die Regierung mit dieser Initiative an der Meinung ihrer eigenen Wähler vorbeigeht. Warum hält die Koalition dennoch an der Reformidee fest? – fragt das Blatt. Nach inoffiziellen Einschätzungen geht es um simple politische Kalkulation, wer bei der personellen Erneuerung 2029 verlieren, und wer profitieren könnte.

Geht es nach dem Blatt wolle die Bauernpartei PSL vor allem lokale Machtstrukturen sichern – einschließlich zahlreicher Posten für Parteimitglieder in der kommunalen Verwaltung. Auch für Tusk ist die Rechnung ähnlich: Wie das Portal OKO.press bereits im März berichtete, könnten viele Bürgermeister aus dem Umfeld der Bürgerplattform im Präsidentschaftswahlkampf 2025 Rafał Trzaskowski unterstützen – im Gegenzug für die Abschaffung der Amtszeitbeschränkung, so Rzeczpospolita.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Privater Nachhilfe-Boom belastet Familienbudgets

Immer mehr Eltern in Polen finanzieren ihren Kindern kostenpflichtige Zusatzkurse. Laut einer Erhebung von Dziennik/Gazeta Prawna zahlen 80 Prozent der Eltern für private Bildungs- oder Freizeitangebote – im Schnitt 944 Złoty pro Monat (rund 215 Euro).

Am beliebtesten sind Sportkurse, Fremdsprachenunterricht, Nachhilfe und künstlerische Aktivitäten. Besonders hoch sind die Ausgaben in Abschlussklassen: Eltern von Abiturienten geben für Nachhilfe oft mehrere tausend Złoty im Monat aus. „In den besten Gymnasien haben die Lehrer enorme Anforderungen, aber kaum Zeit, den Stoff wirklich zu erklären“, sagt Patrycja, Mutter einer Schülerin aus Gdańsk, im Gespräch mit Forbes Polska. Ihre Tochter belegt Privatstunden in Biologie, Chemie und Mathematik – jede kostet 150 Złoty pro Stunde. „Insgesamt gebe ich 4200 Złoty im Monat aus. Aber gute Lehrer kosten, und die Ergebnisse zählen.“

Eltern wie Patrycja sehen die hohen Kosten als notwendige Investition. In renommierten Schulen sei die Qualität des Unterrichts stark davon abhängig, wie sehr die Eltern zusätzlich in private Bildung investieren. Lehrer hätten weder Zeit noch Geduld für individuelle Erklärungen – diese Rolle übernähmen längst Nachhilfelehrer. Und bezahlen würden die Eltern, lautet das Fazit in Dziennik/Gazeta Prawna.

DO RZECZY: Respektlosigkeit und Revisionismus

Bei Besuchen deutscher Schülergruppen in ehemaligen nationalsozialistischen Konzentrationslagern häufen sich skandalöse Zwischenfälle. Das berichtet das Wochenmagazin Do Rzeczy unter Berufung auf die Süddeutsche Zeitung. Mitarbeiter von Gedenkstätten berichten demnach zunehmend von respektlosem Verhalten deutscher Jugendlicher.

So sollen zwei Teenager aus Thüringen in den Krematoriumsofen des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald gestiegen sein, um dort Selfies zu machen und diese anschließend in sozialen Medien zu veröffentlichen. In Bergen-Belsen sangen Schüler im Frühjahr ein Lied mit dem Text: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“.

Museumspersonal berichtet, dass solche Vorfälle keine völlige Neuheit sind – bereits in den 90er Jahren habe es Akte von Vandalismus und Gewalt gegeben. Heute gehe es häufiger um Provokationen, Spott und revisionistische Tendenzen, besonders bei Gruppen aus ostdeutschen Regionen.

In Teilen der deutschen Gesellschaft wachse das Gefühl, man habe genug Buße getan und müsse sich nicht länger für die Verbrechen des Nationalsozialismus entschuldigen. Doch aktuelle Studien des Pilecki-Instituts widersprechen der Annahme einer umfassenden historischen Aufarbeitung. Laut der Untersuchung glauben 60 Prozent der Deutschen, dass die meisten Opfer des Holocausts aus Deutschland stammten. Nur 28 Prozent wissen, dass die größte Opfergruppe aus dem damaligen Polen kam, lesen wir in Do Rzeczy.

Autor: Jakub Kukla

 

 

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