Deutsche Redaktion

„Russland tritt in die dritte Phase des Hybridkriegs ein"

07.10.2025 12:53
Mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine trat Russland in die zweite Phase des hybriden Krieges ein, die als Phase der Zerstörung bezeichnet wird und von zwei bis fünf Jahren dauern kann. Angela Merkel lag falsch. Polen und die baltischen Staaten hatten in Bezug auf Russland recht. Echos des aufsehenerregenden Interviews der Altkanzlerin. Und: Der klare Sieg der Populisten bedeutet nicht, dass Tschechien wie Ungarn sein wird. Es ist jedoch unklar, welchen Preis die Regierung von Andrej Babiš für die Mehrheit im Parlament zahlen wird. Mehr dazu in der Presseschau.
In der Presse gibt es weiterhin zahlreiche Kommentare zu dem jngsten Interview der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Im Gesprch mit dem ungarischen Portal Partizan habe sie angedeutet, dass Polen und die baltischen Staaten zu ihrer Amtszeit einen weiteren Dialog mit Russland abgelehnt htten.
In der Presse gibt es weiterhin zahlreiche Kommentare zu dem jüngsten Interview der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Im Gespräch mit dem ungarischen Portal „Partizan“ habe sie angedeutet, dass Polen und die baltischen Staaten zu ihrer Amtszeit einen weiteren Dialog mit Russland abgelehnt hätten.photocosmos1/ Shutterstock

Rzeczpospolita: Russland tritt in die dritte Phase des Hybridkriegs ein
Seit fast 25 Jahren führt Russland gegen Polen und die NATO-Staaten einen verdeckten Hybridkrieg. Dabei verzichte es auf eine große militärische Aggression gegenüber den NATO-Ländern. Stattdessen teste es Artikel 5 des Washingtoner Vertrags über gegenseitige Hilfe, um eine Spaltung im Bündnis herbeizuführen. Damit stelle Russland die Existenz des NATO-Bündnisses als Garant für Sicherheit und Frieden in Europa infrage, erklärt General in Ruhestand und ehemaliger stellvertretender Chef des Generalstabs, Leon Komornicki, im Gespräch mit der liberal-konservativen Rzeczpospolita.

Wie wir lesen, könne ein Hybridkrieg — bei dem nichtmilitärische Mittel zur Erreichung politischer und strategischer Ziele im Vordergrund stehen — für das angegriffene Land überraschend in einen konventionellen Krieg übergehen. Er sei gewissermaßen ein Vorspiel und finde in Friedenszeiten statt. Der Schwerpunkt der Operationen liege im Informationsraum. Ziel sei es, das Bewusstsein der Menschen so zu beeinflussen, dass es steuerbar wird und den eigenen politischen Zielen dient. Gleichzeitig soll die psychologische Wirkung auf die Gesellschaften der angegriffenen Staaten verstärkt werden. Diese bilden nämlich das Fundament ihrer politischen und verteidigungspolitischen Systeme, erklärt der General. Wie es weiter heißt, basiere die strategische Konzeption der russischen hybriden Kriegsführung auf der Strategie ideologischer Umstürze aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie gliedere sich in drei Etappen.

Die erste Phase werde als „Demoralisierungsphase“ bezeichnet. Geht es nach Komornicki habe Russland sie über fast 20 Jahre mithilfe von Informationsoperationen geführt. Moskaus Ziel sei es gewesen, das Potenzial politischer Parteien und der inländischen Opposition in NATO‑Staaten Europas auszunutzen. Mit informations‑ und psychologischen Mitteln sei Russland in Bereiche wie Militär, Diplomatie, Politik und Wirtschaft eingedrungen. Der Kreml habe versucht, Einflussagenten in politischen, wirtschaftlichen und militärischen Eliten zu formieren. Sie hätten soziale Gruppen, Stiftungen, NGOs, Massenmedien und sogar die organisierte Kriminalität sowie informelle Subkulturen umfasst. Ihre unterschiedliche nationale oder kulturelle Identität sei häufig genutzt worden, um interne Konflikte und Spaltungen zu vertiefen, sie innerhalb der Gesellschaft zu initiieren und zu eskalieren, lesen wir im Blatt.

Mit dem Beginn des großen Krieges in der Ukraine sei Russland nun in die zweite Phase des Hybridkriegs eingetreten, fährt der General fort. Sie werde als Phase der Zerstörung bezeichnet und dauere zwischen zwei und fünf Jahren. Sie werde derzeit gegen Polen und die NATO-Staaten geführt und umfasse Cyberangriffe sowie Desinformationskampagnen. Hinzukämen Elemente harter Macht, wie Sabotage, Diversion, Brandstiftung und Angriffe unterhalb der Kriegsschwelle (z. B. Drohneneinsätze).

Wie es im Blatt heißt, seien die Ziele dieser Maßnahmen vielfältig. Zunächst erlauben sie es, die Funktionsfähigkeit des Staates, seiner Verwaltung, seiner Sicherheitsdienste und seiner Streitkräfte in Krisensituationen zu testen. Gleichzeitig verstärken sie die Wirkung von Desinformationsoperationen, indem sie Ängste, Unsicherheit und Misstrauen in der Gesellschaft schüren — sowohl gegenüber dem Staat, der Armee und den Alliierten. Zudem werde die Notwendigkeit hinterfragt, enorme finanzielle Mittel für die Aufrüstung auszugeben.

Die letzte, dritte Phase des Hybridkriegs ziele darauf ab, eine wirtschaftliche und politische Krise auszulösen und dabei das europäische Sicherheitssystem zu prüfen. Nach der russischen Doktrin könne diese Phase zwei bis sechs Monate dauern. Sie umfasse sowohl Terrorakte sowie große Cyberoperationen gegen die Energieinfrastruktur und kritische Dienste, die für das Funktionieren der Gesellschaft wichtig sind. So würden innere Konflikte weiter zugespitzt und Verwirrung gestiftet. Auch die Bereitschaft der Gesellschaften würde sich verringern, ihren Komfortbereich zu verlassen. Das würde zum Beispiel eine Verteidigung der baltischen Staaten gegen einen russischen Angriff erschweren, so Komornicki. Sollte es dazu kommen, sehe die russische Strategie vor, von einem Hybridkonflikt in einen konventionellen Krieg überzugehen.

Wie Leon Komornicki abschließend schreibt, befinde sich Russlands Hybridkrieg gegen Polen und die NATO in der Endphase der zweiten Etappe. Diese dauere bereits mehr als 3,5 Jahre und sollte heute weder in ihrer Form noch in ihrem Charakter überraschen. Polen und die NATO-Staaten sollten eine klare Strategie für die offensive Verteidigung entwickelt haben. Bis jetzt fehle es ihnen jedoch sowohl an einer solchen Strategie als auch an den erforderlichen Verteidigungsfähigkeiten. Die anhaltenden Cyber- und Desinformationsoperationen sowie die damit verbundenen Sabotageakte, Brandstiftungen, Diversionen und Luftraumverletzungen würden Polen und die NATO-Staaten weiterhin überraschen. Russland erreiche damit seine militärischen und politischen Ziele, lautet die Schlussfolgerung des Generals in der Rzeczpospolita.

Biznesalert: Nicht Merkel sondern Polen und baltische Staaten hatten Recht
In der Presse gibt es weiterhin zahlreiche Kommentare zu dem jüngsten Interview der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Im Gespräch mit dem ungarischen Portal „Partizan“ habe sie angedeutet, dass Polen und die baltischen Staaten zu ihrer Amtszeit einen weiteren Dialog mit Russland abgelehnt hätten. Thomas O'Donnell, Experte der amerikanischen Denkfabrik Wilson Center, erinnert in einem Gespräch mit dem Portal Biznes Alert daran, dass es jedoch Merkel gewesen sie, die alle Versuche blockiert habe, eine vernünftige gemeinsame EU-Politik gegenüber dem Kreml aufzubauen. Wie er erklärt, sei jeder, der sich gegen Merkels Politik und die ihrer zahlreichen Koalitionspartner in Deutschland bezüglich Russland gestellt habe, entweder als „Angsthase“ verspottet oder beschuldigt worden, „keine gemeinsame Politik der Europäischen Union zu wollen“.

Wie im Interview zu lesen ist, hatten auch Polen und die baltischen Staaten ihre eigene Russland-Politik. Sie hätten ebenfalls für die Einheit der EU in dieser Angelegenheit gekämpft. Das Problem war jedoch, dass es vor allem Deutschland gewesen sei, das die Zusammenarbeit verweigert habe. „Wie wir alle wissen, prallten über Jahre zwei gegensätzliche Ansätze gegenüber Russland auf. Auf der einen Seite stand die vorsichtige und realistische Haltung, die eine gemeinsame Verteidigung gegen den russischen Imperialismus und Revisionismus forderte. Auf der anderen Seite war die in Berlin dominierende Haltung von ‚Wandel durch Handel‘, die davon ausging, dass eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland zu dessen Demokratisierung und friedlichem Verhalten führen würde“, erinnert O'Donnell. Seiner Meinung nach bedeutete dieser zweite Ansatz in der Praxis jedoch die Abhängigkeit der EU von russischer Energie sowie die stillschweigende Billigung der russischen Besetzung der Krim im Jahr 2014.

„Polen und die baltischen Staaten warnten, dass dies ein Weg ins Nichts sei – dass Russland sich nicht durch Handel ändern, sondern ihn als Instrument der Einflussnahme nutzen würde“, betont der Experte. „Heute, nach der russischen Invasion in der Ukraine 2022, wissen wir bereits, welche Politik richtig war. Es war nicht diejenige, die auf ‚Veränderung durch Handel‘ setzte und die Aggression ignorierte. Es war diejenige, die eine gemeinsame Verteidigung, energetische Unabhängigkeit und eine klare Haltung gegenüber Moskau forderte“, fasst Thomas O'Donnell im Gespräch mit biznesalert zusammen.

Rzeczpospolita: In Tschechien siegt der „leichte“ Nationalismus
Die populistische Partei ANO unter der Führung des Milliardärs und ehemaligen Premierministers Andrej Babiš hat bei den Freitag-Samstags-Wahlen ein besseres Ergebnis als in den Umfragen prognostiziert erzielt. Auf dem zweiten Platz landete die regierende Mitte-Rechts-Koalition Spolu (Zusammen). Ihre größte Partei ist die konservative Bürgerdemokratische Partei (ODS) des Premiers Petr Fiala. Wie die Rzeczpospolita schreibt, haben die Regierungskoalition und ihre Verbündeten die Wahlen als einen Kampf zwischen Europa und dem Westen dargestellt, den sie vertreten, und den Populisten und Extremisten, die Kollaborateure Russlands seien.

Das klinge zwar gut in der Wahlkampagne, spiegele aber nicht unbedingt die wahre Trennungslinie in der tschechischen Gesellschaft wider, erklären tschechische Experten. Patrik Eichler von der Masaryk Academy of Democracy sagte gegenüber dem Blatt, er erwarte nicht, dass Premierminister Babiš dem Kreml einen Besuch abstattet, wie es die Regierungschefs Ungarns und der Slowakei, Viktor Orbán und Robert Fico, getan haben. Seiner Meinung nach unterscheide sich die Haltung von ANO zur EU nicht wesentlich von der der ODS, die zusammen mit der polnischen oppositionellen Recht und Gerechtigkeit (PiS) den Fraktionsverband der Europäischen Konservativen und Reformisten bildet. Babiš habe nicht aufgrund einer Welle anti-europäischer Stimmungen so deutlich gewonnen. Auf keinen Fall deshalb, weil die Tschechen die EU und die NATO verlassen wollen. Stattdessen werde er die EU in Zukunft stärker kritisieren, erklärt Eichler.

Laut dem Hauptanalysten der Zeitung „Hospodářské noviny“, Martin Ehl, seien die Wahlen eine Abstimmung gegen Fialas Regierung gewesen, die die gewöhnlichen Bürger enttäuscht habe. Die Gründe für diese Enttäuschung sehe er in hohen Energie- und Lebensmittelpreisen. Die Bevölkerung habe auch die Hilfe für ukrainischen Flüchtlinge satt, von denen in Tschechien prozentual die meisten in der EU leben. „Der Arbeitsmarkt hätte ohne die Ukrainer ein großes Problem, aber vielen Tschechen missfällt, dass wir ‚nicht für unsere eigenen‘ bezahlen“, so Ehl. Insgesamt habe der „leichte“ Nationalismus gesiegt, da der „harte“ Nationalismus nicht so viel Unterstützung gefunden habe, wie erwartet, fügt Ehl hinzu.

Die härteren Nationalisten seien vor allem die ausländerfeindliche Partei Freiheit und Direkte Demokratie (SPD), die knapp 8 Prozent der Stimmen erhalten hat. Andere radikale Gruppen seien das von den Kommunisten unterstützte Bündnis „Genug!“. Dieser anti-europäische, anti-nato, prorussische und pro-chinesische Block habe jedoch die 5-Prozent-Hürde nicht überschritten. Im Parlament werde hingegen die Gruppe „Fahrer“, die sich gegen den Grünen Deal der EU stellt, mit fast 7 Prozent vertreten sein. Präsident Petr Pavel werde wahrscheinlich nicht zustimmen, wichtige Außen- und Sicherheitspositionen mit Extremisten zu besetzen. Tschechiens neuer Regierungschef Babiš scheine dies zu verstehen, heißt es im Blatt am Schluss. Am Samstagabend erklärte der Präsident optimistisch, dass die Ergebnisse eindeutig den „pro-westlichen Kurs unseres Landes“ bestätigten.

Autor: Piotr Siemiński

Tschechien entlarvt russisches Netzwerk zur Wahlbeeinflussung in der EU

28.03.2024 09:39
Nach Angaben tschechischer Medien soll das entlarvte Netzwerk Politiker in Polen, Ungarn, Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden bestochen haben.

Eine halbe Million Munition für die Ukraine. Tschechische Initiative gewinnt an Schwung

26.08.2024 20:40
Die Ukraine erhält monatlich mehrere Zehntausend Stück Munition und wird bis Ende des Jahres eine halbe Million weiterer Geschosse erhalten. Die Fortschritte der tschechischen Munitionsinitiative hat der tschechische Premierminister Petr Fiala gemeldet.

Geheimdienste: Beschädigung von Ostseekabeln ist hybride Kriegsführung

27.12.2024 07:00
Der dänische und der schwedische Geheimdienst haben in den letzten Monaten Versuche, die Ostsee-Infrastruktur zu beschädigen, als Teil einer hybriden Kriegsführung bezeichnet. Finnland berichtete am Donnerstag, dass der Tanker Eagle S der russischen Schattenflotte möglicherweise das Unterseekabel Estlink 2 beschädigt hat.

Außenminister an Russland bei UN: „Ihr seid gewarnt“

22.09.2025 20:30
Polens Chefdiplomat Radosław Sikorski hat Russland ermahnt, jedes weitere unerlaubte Eindringen von Raketen oder Flugzeugen in den NATO-Luftraum werde mit einem Abschuss beantwortet. Dies sei eine Warnung an den Kreml, sagte er während einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates.

Empörung nach Interview zum Ukraine-Krieg: “Merkel hat Blut an den Händen”

06.10.2025 12:33
Die Andeutungen der ehemaligen Kanzlerin, die eine Mitschuld Polens am Ausbruch des Kriegs in der Ukraine suggerierte, haben eine Lawine von Kommentaren im polnischen Internet ausgelöst. Sicherheitsexperte Szeligowski warnt davor, sich nur auf das Szenario russischer Truppen an der Weichsel zu fokussieren. Und: Ukrainischer Ex-Geheimdienstoffizier verteidigt Nord-Stream-Sabotage und erhebt schwere Vorwürfe gegen deutsche Ermittler.

Kommentar: Wer hat wirklich Öl ins Feuer gegossen?

07.10.2025 09:48
Angela Merkel hat wieder gesprochen. Diesmal deutete sie in einem Gespräch mit dem ungarischen Portal „Partizán“ an, dass zur russischen Aggression 2022 auch Staaten beigetragen hätten, die seit Jahren Alarm schlugen: Polen und die baltischen Länder. Klingt das paradox? Eher wie bequeme Amnesie. Denn wenn jemand Berlin über Jahre konsequent vor Projekten warnte, die Europa in Abhängigkeit vom Kreml bringen würden, dann waren es eben polnische und baltische Politiker, Expertinnen und Journalisten. Ihre Diagnose war einfach: Jeder in die russischen Pipelines investierte Euro kehrt zu uns zurück — in Form russischer Aufrüstung, schreibt der Publizist und Historiker Sławomir Sieradzki. 

Außenminister Sikorski: "Offenbar hat die Kanzlerin vergessen, wie ihr Regierungskurs aussah"

07.10.2025 10:20
Sikorski erinnerte daran, dass Polen bereits 2007 gegen die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream protestiert habe. „Man sollte sich ansehen, wie die deutsche Regierung damals auf meine Worte reagierte, als ich sagte, wir mögen keine Absprachen über unsere Köpfe hinweg", so der Politiker.