Deutsche Redaktion

Tusk drängt Deutschland zu schneller Entscheidung über Entschädigungen für polnische Opfer

01.12.2025 19:22
Ministerpräsident Donald Tusk hat die Bundesregierung zu einer schnellen und eindeutigen Entscheidung über Entschädigungszahlungen an noch lebende polnische Opfer des Zweiten Weltkriegs aufgefordert. Sollten zeitnah keine klaren Signale aus Berlin kommen, werde Polen selbst über nationale Hilfen nachdenken, sagte Tusk am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Friedrich Merz in Berlin.
Ministerprsident Donald Tusk und Bundeskanzler Friedrich Merz
Ministerpräsident Donald Tusk und Bundeskanzler Friedrich MerzPAP/Radek Pietruszka

„Wenn wir keine schnelle und eindeutige Erklärung Deutschlands zur Auszahlung von Entschädigungen erhalten, werde ich erwägen, dass Polen dieses Bedürfnis aus eigenen Mitteln erfüllt“, sagte Tusk. Und weiter: „Beeilt euch, wenn ihr wirklich eine solche Geste machen wollt.“

Deutschland verweist auf rechtlich geklärte Reparationsfrage

Merz betonte, die deutsche Haltung zu Reparationsforderungen sei unverändert. „Aus politischer wie aus rechtlicher Sicht ist die Reparationsfrage geklärt“, sagte der Kanzler. Zugleich hob er hervor, dass Deutschland seine historische Verantwortung anerkenne: „Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist ein Prozess, der niemals abgeschlossen ist.“ Deutschland habe bereits „zwei Milliarden Euro für Überlebende des NS-Terrors bereitgestellt“, sagte Merz. Man spreche zudem über „weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit und humanitären Hilfe“.

Polen sieht Verzicht der 1950er-Jahre nicht als legitim an

Tusk widersprach der deutschen Argumentation, wonach der polnische Reparationsverzicht aus den 1950er-Jahren bindend sei. „Polen hatte damals de facto nichts zu sagen. Der Verzicht entsprach nicht dem Willen des polnischen Volkes“, sagte der Regierungschef. Aus polnischer Sicht sei klar, „dass Polen keine Entschädigung für die Verluste und Verbrechen des Zweiten Weltkriegs erhalten hat“.

Symbolische deutsche Unterstützung als unzureichend kritisiert

Im Raum steht zudem ein von Berlin im vergangenen Jahr vorgeschlagener Unterstützungsfonds in Höhe von 200 Millionen Euro für noch lebende Opfer. Warschau hatte diese Summe als „symbolisch“ und unzureichend zurückgewiesen.

Tusk wies darauf hin, dass die Zahl der noch lebenden direkten Opfer stetig sinkt. „Nach Schätzungen der Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung sind es heute etwa 50.000 Menschen“, sagte er. Als er mit Ex-Kanzler Olaf Scholz über die Frage gesprochen habe, seien es noch rund 60.000 gewesen.

Tusk setzt Berlin unter Zeitdruck

Tusk machte deutlich, dass er auf eine zeitnahe Reaktion setzt: „Wenn wir keine schnelle und klare Erklärung erhalten, werde ich im kommenden Jahr darüber entscheiden, dass Polen diese Aufgabe aus eigenen Mitteln erfüllt.“ Weiter kommentieren wollte er das nicht.

Beide Regierungen führten am Montag Gespräche im Rahmen der polnisch-deutschen Regierungskonsultationen. Die Frage der Entschädigungen für polnische NS-Opfer galt als einer der zentralen Streitpunkte der Begegnung.


PAP/jc

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Regierungskonsultationen: Sind die deutsch-polnischen Beziehungen überdüngt?

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