Deutsche Redaktion

Höflichkeitsbesuch oder diplomatische Meisterleistung?

14.02.2024 06:46
Die Europareise von Donald Tusk: Ein reiner Höflichkeitsbesuch oder der Beginn einer Neuöffnung in den Beziehungen Polens zu den wichtigsten Ländern der Europäischen Union? Diese Frage stellt die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. 
Verlagert sich das Entscheidungszentrum der Europischen Union nach Osten, und kann der Motor Berlin-Paris endlich durch Warschau gestrkt werden?
Verlagert sich das Entscheidungszentrum der Europäischen Union nach Osten, und kann der Motor Berlin-Paris endlich durch Warschau gestärkt werden? РАР/Marcin Obara

DZIENNIK/GAZEA PRAWNA: Diplomatische Meisterleistung

Nach Ansicht von Dr. Bartłomiej E. Nowak, einem Experten der Pułaski-Stiftung, waren die Besuche in Paris und Berlin diplomatische Meisterleistungen. Polen sei mit einem starken und entschlossenen Schritt in die wichtigste europäische Liga eingetreten. Der Kontext ist entscheidend: Die Parlamentswahlen im Oktober in Polen wurden von der europäischen Presse als die bedeutendsten des vergangenen Jahres bezeichnet. Vor wenigen Tagen veröffentlichte die New York Times einen Artikel darüber, wie Polen anderen Ländern Hoffnung macht, da es offenbar möglich ist, den Populismus zu besiegen. Aus diesem Grund sei der Besuch von Donald Tusk in den beiden Hauptstädten von großer Bedeutung.

Bis zu den Wahlen im Oktober sei Warschau in vielen Bereichen eher gegen gemeinschaftliche Mechanismen gewesen, fährt der Publizist fort. Westeuropa habe große Hoffnungen in diese Wende in Polen gesetzt. Tusk habe diese Atmosphäre genutzt; seine Botschaft habe dem widersprochen, was die Regierung von Recht und Gerechtigkeit bisher präsentiert habe, meint Dr. Bartłomiej E. Nowak.

Verlagert sich das Entscheidungszentrum der Europäischen Union nach Osten, und kann der Motor Berlin-Paris endlich durch Warschau gestärkt werden? – fragt das Blatt weiter. Er würde eher sagen, dass sich der geografische Mittelpunkt der Europäischen Union nach Osten verschiebe. Wenn man über die Erweiterungspolitik der EU spricht und auf ihre möglichen künftigen Grenzen schaut, insbesondere auf die Kandidatenländer wie die Ukraine, Moldawien und vielleicht bald auch Georgien, sieht man, dass man es mit einer völlig neuen Situation zu tun hat. Die EU werde "östlicher". Außerdem trage Deutschland in strategischen Bereichen schwere politische "Sünden" auf sich: vor allem in Energie und Sicherheit, insbesondere gegenüber Russland. Darüber hinaus regiere in der Bundesrepublik eine schwache Regierung. Auch in Frankreich sehe die Lage nicht rosig aus. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Marine Le Pen die wichtigste Kandidatin für das Amt des Präsidenten der Französischen Republik werde. Die Unterstützung für Populisten an der Seine sei groß. Ein neuer Hoffnungsstrahl aus dem Osten wäre von großer Bedeutung, sagt Dr. Bartłomiej E. Nowak in der Zeitung Dziennik/Gazeta Prawna. 

SUPER EXPRESS: Kein Wandel in deutscher Haltung 

Donald Tusk besuchte Paris und Berlin. Während einer gemeinsamen Konferenz mit dem deutschen Bundeskanzler wurde er zu den Kriegsreparationen befragt. Donald Tusk äußerte den Wunsch, in die Zukunft zu blicken, und fügte hinzu, dass dieser Fall „im formellen, rechtlichen und internationalen Sinne schon vor vielen Jahren abgeschlossen“ sei. Die Frage der moralischen, finanziellen und materiellen Entschädigung sei jedoch nie umgesetzt worden, betonte der Politiker. Er machte sowohl sich selbst als auch Olaf Scholz nicht dafür verantwortlich.

Der Vorsitzende der Partei Recht und Gerechtigkeit, Jarosław Kaczyński, verwies auf den Besuch und die Aussagen von Tusk während einer Pressekonferenz. Kaczyński scheute nicht vor scharfen Worten gegenüber dem derzeitigen Regierungschef. Er erklärte, dass die jüngste Stellungnahme von Tusk zu Reparationen den Grundinteressen Polens schade, sowohl in Bezug auf Entschädigungen als auch auf den polnischen Status, nicht nur politisch, sondern auch kulturell. Kaczyński wies darauf hin, dass Deutschland erst kürzlich den Franzosen eine Entschädigung für den Ersten Weltkrieg gezahlt habe. Große Entschädigungen seien auch an Israel geflossen, und derzeit seien Gespräche mit einigen afrikanischen Ländern - ehemaligen deutschen Kolonien - im Gange. Bezüglich Polen habe sich die Haltung Deutschlands jedoch nicht geändert, so Kaczyński. 

DO RZECZY: Problemfall: Kriegsentschädigungen 

Der Historiker Bogdan Musiał widmet sich der Frage der Entschädigungen in einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift "Do Rzeczy". Er ist der Überzeugung, dass Deutschland in dieser Angelegenheit aktiv werden wird. Die öffentliche Debatte bringt die Idee eines Beitrags zum Wiederaufbau des Sächsischen Palais ins Spiel. In diesem Zusammenhang stellt er jedoch die Frage, warum die Deutschen, wenn sie zum Wiederaufbau beitragen wollen, nicht auch für die Zerstörung ganz Warschaus aufkommen möchten. Er hinterfragt den Unterschied zwischen der Zerstörung des Sächsischen Palais und anderen Gebäuden, die gezielt von deutschen Soldaten zerstört wurden.

Es ist wichtig zu betonen, dass Deutschland mit allen von ihm besetzten Ländern Reparations- und Entschädigungsabkommen abgeschlossen hat. Überall zahlten sie Geld, außer in Polen. Die Deutschen sind sich laut Musiał durchaus bewusst, dass sie heute für ihre Verbrechen gegenüber Polen das Dreifache dessen zahlen müssten, was sie in den 1950er und 1970er Jahren an andere Länder zahlten. Zudem geht aus internen Dokumenten hervor, dass sie sich dieser Tatsache bewusst sind, so der Historiker.

Musiał glaubt nicht, dass Donald Tusk und Radosław Sikorski auf Reparationen schriftlich verzichten werden, da dies in einem bilateralen Abkommen notwendig wäre. Dies eröffne jedoch den Weg für zukünftige Auseinandersetzungen um Wiedergutmachung, so Bogdan Musiał in der Wochenzeitschrift "Do Rzeczy".


Autor: Jakub Kukla