DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Image-Schaden für die Regierung und Selenskyjs Entgleisung
Das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna widmet sich einmal mehr den angespannten polnisch-ukrainischen Beziehungen. Der Vorfall in Wyryki und umstrittene Äußerungen Wolodymyr Selenskyjs haben eine ernste Imagekrise beider Staaten ausgelöst, schreibt in seiner Analyse der Publizist und Kriegskorrespondent Zbigniew Parafianowicz. Immer häufiger, so der Autor, seien es die Schritte der Kiewer Regierung – und nicht die russische Propaganda –, die in Polen Ressentiments gegenüber der Ukraine verstärkten.
Zahlreiche Erklärungen zum Vorfall in Wyryki, bei dem eine polnische Rakete ein Wohnhaus beschädigt habe, würden nichts an den Fakten ändern. Für die Regierung sei es eine spektakuläre Niederlage in der öffentlichen Wahrnehmung. Dazu habe auch der stellvertretende Außenminister beigetragen, als er vor der UN ein Foto des Unglücks als angeblichen Beweis für einen russischen Drohnenangriff präsentierte.
Die Ursache der Zerstörung sei natürlich ein russischer Angriff gewesen, betont der Autor. Die Armee habe grünes Licht erhalten und ohne Zögern zur Verteidigung eingegriffen. Nur das könne man in der ganzen Angelegenheit als Verdienst der polnischen Streitkräfte und der Regierung werten. Das beschädigte Wohnhaus sei bei solchen Operationen eine in Kauf zu nehmende Nebenfolge. Damit ließe sich die Angelegenheit eigentlich schließen.
Allerdings gebe es zwei störende Faktoren: erstens die „schiefe" Reaktion Donald Trumps, der sich stärker um die Ermordung eines rechtskonservativen Podcasters sorge als um die Provokation am polnischen Himmel. Zweitens die beschämenden Worte des ukrainischen Präsidenten, wonach Polen nicht imstande sei, seine eigene Bevölkerung vor einem massiven russischen Angriff zu schützen.
Ihm, so der Autor, falle es schwer zu verstehen, warum sich der Präsident eines Landes zu solchen Kommentaren hinreißen lasse – eines Landes, dem beim Kriegsausbruch der Treibstoff ausgegangen sei und das von Polens Energieriesen Orlen aus strategischen Reserven beliefert worden sei. Warum sollte man sich in Urteile über einen Nachbarn verstricken, der in der Anfangsphase des Krieges schwere Ausrüstung lieferte und damit den Kampf erst ermöglichte, fragt Parafianowicz.
In den fast vier Jahren der russischen Invasion habe die polnische Seite wiederholt die Leistungsfähigkeit der ukrainischen Geheimdienste und des Militärs gelobt, so der Autor weiter. Warschau habe auch über manche scharfen Töne aus Kiew hinweggesehen. Bereits während der Getreidekrise habe Selenskyj Präsident Andrzej Duda in eine Reihe mit Putin gestellt. Bis heute gebe er nicht zu, dass in Przewodów vor zwei Jahren eine ukrainische und keine russische Rakete eingeschlagen sei.
Auch das Ukrainische Institut für Nationales Gedenken verbreite weiterhin Lügen, wonach das Massaker in Puźniki während des Zweiten Weltkriegs von Sowjets und nicht von ukrainischen UPA-Nationalisten verübt worden sei, kritisiert der Publizist. Ukrainische Politiker könnten somit schon bald in Polen eine Stimmung der Ablehnung gegenüber ihrem Land weitaus wirksamer erzeugen als die russische Propaganda.
Möglicherweise könnte sich ausgerechnet Wolodymyr Selenskyj als die wirksamste „russische Stimme" erweisen, warnt Parafianowicz. Er zeige nämlich keine Hemmungen, Polen absurde Vorwürfe zu machen. Politische Anführer seien es, die das Klima zwischen den Nationen prägen. Regierungen und Präsidenten trügen die Verantwortung für den Zustand der Beziehungen zwischen Staaten und Gesellschaften. Daran solle man sich erinnern, wenn man frage, warum die Sympathie der Polen für die Ukrainer zunehmend schwinde, so Zbigniew Parafianowiczs Fazit in Dziennik/Gazeta Prawna.
RZECZPOSPOLITA: „Wenn politische Rivalitäten den Staat spalten"
In der konservativ-liberalen Rzeczpospolita geht es indes um den anhaltenden innenpolitischen Konflikt zwischen Regierung und Präsident. Chefredakteur Michał Szułdrzyński analysiert das Duell zwischen Außenminister Radosław Sikorski und Staatsoberhaupt Karol Nawrocki. Wären beide Chefredakteure verfeindeter Medien und ihre Sprecher Leitkommentatoren, könnte die Polemik zwischen ihnen durchaus spannend sein, meint der Autor. Doch Sikorski und Nawrocki seien nicht Publizisten, sondern die ranghöchsten Staatsbeamten. Was sich auf der Plattform X noch gut lese, werfe auf den Staat ein schlechtes Licht.
Der Streit darüber, ob der Außenminister an Bord des Präsidentenflugzeugs zum UN-Sicherheitsrat nach New York eingeladen werden solle oder nicht, sei ein Beispiel für ein Phänomen, das Polen künftig teuer zu stehen kommen könnte, warnt Szułdrzyński. Das Regierungsbündnis habe Radosław Sikorski dazu auserkoren, ständig in Konflikt mit Präsident Nawrocki zu treten. Gleichzeitig habe das Präsidentenlager Sikorski als bequemen Gegner ausgewählt.
Warum gerade diese Konstellation? Der Präsident habe sich als aktivster Vertreter und Anführer des rechten Lagers etabliert, erklärt der Autor. Nawrocki habe die Wahlen gewonnen und sein Amt mit spektakulären Vetos, Gesetzesvorschlägen und Auslandsbesuchen begonnen. Sikorski wiederum verkörpere für die rechte Wählerschaft alles Übel. Auf der rechten „Liste der Teufel" belege der Vizepremier einen Spitzenplatz – nicht weit hinter Angela Merkel und Donald Tusk, lesen wir.
Hinzu komme, dass es in der Regierung nur zwei Posten gebe, deren Kompetenzen sich mit denen des Staatsoberhaupts überschneiden: das des Verteidigungs- und das des Außenministers. In der aktuellen internationalen Lage wäre ein Konflikt des Präsidenten mit dem Verteidigungsministerium undenkbar. Zudem habe Minister Władysław Kosiniak-Kamysz früher ausgezeichnete Beziehungen zu Andrzej Duda gepflegt und scheine auch ein gutes Verhältnis zu Nawrocki zu unterhalten.
Für Sikorski selbst sei die Rolle als Hauptgegner Nawrockis durchaus vorteilhaft, analysiert der Chefredakteur weiter. Dadurch stärke er seine politische Position im liberalen Lager. Es liege in seinem Interesse, dass der Konflikt mit dem Präsidenten möglichst hohe Wellen schlage.
Das Problem sei jedoch, dass das, was sowohl dem rechten als auch dem liberalen Lager nütze – beide profitierten von der Polarisierung –, keineswegs gut für den polnischen Staat sei. Zu Recht habe Premierminister Donald Tusk vor einigen Tagen gesagt, dass Russland die Spaltung zwischen Regierung und Präsident künftig ausnutzen werde, betont Szułdrzyński. Die Frage laute allerdings, ob Tusk selbst etwas unternommen habe, um dieser Spaltung entgegenzuwirken. Es sei nämlich schwer vorstellbar, dass Sikorski den Konflikt mit dem Präsidiallager ohne die Billigung des Regierungschefs führe.
Gleichzeitig müsse auch das Lager Nawrockis Bilanz ziehen, ob dieser Konflikt außer Kontrolle geraten könnte und dadurch bestimmte staatliche Bereiche – insbesondere solche, die Zusammenarbeit zwischen Präsident und Außenministerium erfordern – dauerhaft handlungsunfähig würden, warnt der Chefredakteur der Rzeczpospolita abschließend.
DO RZECZY: Lukaschenkos Doppelspiel
Der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko flirte mit Trump, warne die Polen vor russischen Luftangriffen und entlasse politische Gefangene. Gleichzeitig sperre er jedoch weitere ein, schreibt das rechtskonservative Wochenblatt Do Rzeczy. Wie gewohnt spiele Lukaschenko ein doppeltes Spiel: Er versuche, sich von der russischen Leine zu lösen – oder tue zumindest so.
Einer der interessantesten Aspekte des jüngsten russischen Drohnenangriffs auf Polen, erinnert das Blatt, sei die Rolle von Minsk gewesen. Einerseits seien einige Drohnen aus Belarus gekommen. Andererseits habe das dortige Regime Warschau vor der Gefahr gewarnt. Auch die Polen sollen die Weißrussen über aus der Ukraine eindringende Drohnen informieren. Kontakte zur weißrussischen Seite habe das polnische Verteidigungsministerium bestätigt. Unter bestimmten Gesichtspunkten teilten Minsk und Warschau hiermit gemeinsame Interessen.
Während der Angriffe auf die Ukraine hätten russische Drohnen mehrfach die ukrainische Luftabwehr umgangen, indem sie über den Süden Weißrusslands geflogen seien, erklärt der Autor weiter. Die Drohnen seien in verschiedenen Landesteilen abgestürzt. Weißrussland sei noch stärker als Polen der Gefahr ausgesetzt, dass Drohnen oder Raketen vom Himmel fallen. Geografisch liege das Land in der „Quetschzone".
Zwar beteilige sich Minsk am Krieg, indem es Territorium und Infrastruktur einer der Seiten zur Verfügung stelle. Gleichzeitig agiere es jedoch still und passiv, versuche sich herauszuhalten und so wenig wie möglich zu verlieren – sowohl materiell als auch politisch, analysiert das Blatt.
Allerdings wäre es naiv zu glauben, dass Minsk in Sachen russischer Drohnen aus Liebe zu Polen oder aus Hass auf Russland mit Warschau kooperiere, warnt DoRzeczy. Minsk habe zum Beispiel nicht klar betont, vor wessen Drohnen es Polen gewarnt habe. Natürlich sei nicht zu erwarten, dass ein Staat, der nahezu vollständig von Russland abhängig sei, offen über die Zusammenarbeit mit dem „feindlichen" Warschau im Kampf gegen von Moskau eingesetzte Drohnen spreche. Umso mehr solle man schätzen, dass es überhaupt zu einer Kooperation gekommen sei, lautet das abschließende Fazit des Wochenblatts.
Autor: Piotr Siemiński