Deutsche Redaktion

„Präsident des Chaos“ – Nawrocki auf Konfrontationskurs

14.11.2025 11:00
Die Gazeta Wyborcza warnt vor einem zunehmend konfrontativen Kurs von Präsident Karol Nawrocki, der durch Vetos zentrale Reformen ausbremse. Die Gazeta Polska berichtet unterdessen, dass Polen trotz Regierungsankündigungen vorerst nicht vom EU-Migrationspakt ausgenommen wird. Die Rzeczpospolita richtet den Blick nach Deutschland und beschreibt die wachsenden finanziellen Probleme vieler Städte, die vor einem infrastrukturellen Kollaps stehen.
Prezydent Karol Nawrocki
Prezydent Karol NawrockiFoto: Anita Walczewska/East News

Gazeta Wyborcza: „Präsident des Chaos“ – Präsident Nawrocki auf Konfrontationskurs

Die links-liberale Gazeta Wyborcza widmet ihren Leitartikel der zunehmenden politischen Eskalation zwischen Präsident Karol Nawrocki und der Regierung Donald Tusks. Bartosz T. Wieliński beschreibt Nawrockis jüngste Entscheidungen als bewusst gewählten Kurs in Richtung institutioneller Blockade und staatlicher Destabilisierung.

Im Zentrum der Kritik steht die Weigerung des Präsidenten, 46 Richter zu ernennen. Laut Wieliński ist diese Blockade Teil eines größeren politischen Spiels, mit dem Nawrocki seine Position an der Spitze der polnischen Rechten festigen wolle. Wie der Autor erinnert, hat der Präsident in seinen ersten 100 Amtstagen bereits elf Vetos eingelegt und zudem mehrere Botschafterernennungen verhindert. Damit blockiere er zentrale Reformen der Regierung und schaffe gleichzeitig neue Konfliktfelder. Besonders umstritten ist sein Eingriff in die Energiepolitik – etwa die Verzögerung beim Ausbau der Windkraft.

Die Zeitung warnt, dass Nawrockis Vorgehen in eine Phase fällt, in der Polen angesichts des russischen Angriffskriegs und fortgesetzter hybrider Operationen besonders verwundbar ist. Während das Land nach außen Stabilität demonstrieren müsste, erzeuge der Präsident innenpolitisches Chaos und untergrabe das Vertrauen in staatliche Institutionen, die er selbst stärken sollte.

Wieliński interpretiert dieses Verhalten als bewusste Provokation – eine Strategie, die an den konfrontativen Stil Donald Trumps erinnere. Nawrocki wolle seinen Anhängern beweisen, dass er der starke Mann sei, der den politischen Gegner in die Knie zwinge. Die demokratische Koalition dürfe sich dieser Strategie nicht beugen, sondern müsse entschlossen und ebenso konfrontativ antworten, so der Autor.

Der Kommentar endet mit einer Warnung: Eine langfristige Sabotage der staatlichen Strukturen durch den Präsidenten könne schwere Folgen für Polen haben. Die Verantwortung dafür liege allein bei Nawrocki und seinem Umfeld. 

Gazeta Polska: Polen bleibt vorerst nicht vom EU-Migrationspakt befreit 

Trotz öffentlicher Zusicherungen von Premierminister Donald Tusk wird Polen im kommenden Jahr nicht von den Pflichten des EU-Migrationspakts ausgenommen. Zwar kann die Regierung einen Antrag auf Ausnahme von der verpflichtenden Umsiedlung stellen, doch die endgültige Entscheidung darüber trifft nicht die Europäische Kommission, sondern der Rat der EU, wie die konservative Gazeta Polska betont.

Ursprünglich wollte die Kommission am 15. Oktober darlegen, wie der Migrationspakt ab 2026 umgesetzt werden soll und ob einzelne Staaten – darunter Polen – von bestimmten Verpflichtungen befreit werden könnten. Der Bericht erschien jedoch erst am 17. Oktober. Im Fokus stehen vor allem die Mittelmeerstaaten Griechenland, Zypern, Spanien und Italien, die traditionell stark unter Migrationsdruck stehen und daher über das Solidaritätsinstrument unterstützt werden sollen.

Polen hat sich mit Bulgarien, Tschechien, Estland und Kroatien zusammengeschlossen und argumentiert, ebenfalls besonders belastet zu sein – etwa durch die Lage an der belarussischen Grenze, wo die EU eine gezielte Migrationskrise befürchtet. Darin sieht die polnische Regierung eine Grundlage für eine Befreiung von der Umsiedlungspflicht.

Die Kommission hält eine Ausnahme für Polen frühestens ab 2026 für denkbar – vorausgesetzt, die höheren Ausgaben für die Unterbringung von Migranten werden anerkannt. Gazeta Polska weist jedoch darauf hin, dass dies lediglich ein Vorschlag der Kommission ist. Wie der frühere Vizepräsident des Europäischen Parlaments Zdzisław Krasnodębski betont: „Darüber, wer vom Migrationspakt ausgenommen wird, entscheidet der Rat.“ Die Entscheidung liegt also bei den Mitgliedstaaten – nicht bei Brüssel.

Die finale Entscheidung des EU-Rates wird am 8. Dezember erwartet. Bis dahin bleibt offen, ob Polen tatsächlich von der Verpflichtung zur Aufnahme von Migranten entbunden wird, schreibt die Gazeta Polska.

 

Rzeczpospolita: Deutsche Städte am Rande des Zusammenbruchs

Viele deutsche Städte stehen vor massiven finanziellen und infrastrukturellen Herausforderungen, berichtet die Rzeczpospolita. Besonders deutlich zeigt sich dies in Nordrhein-Westfalen, wo zahlreiche Kommunen aufgrund hoher Schulden nicht mehr in der Lage sind, ihre Infrastruktur eigenständig zu erhalten. In Bonn beispielsweise sind mehrere Schwimmbäder geschlossen oder müssen aufwendig saniert werden.

Noch prekärer ist die Lage in Städten wie Oberhausen, einst Zentrum des Bergbaus und der Stahlindustrie. Dort beträgt die Pro-Kopf-Verschuldung rund 10.000 Euro – fast das Fünffache des Bundesdurchschnitts. Der Strukturwandel hin zu einer dienstleistungsorientierten Wirtschaft hat tiefe wirtschaftliche Spuren hinterlassen. Die hohe Verschuldung schränkt die Handlungsspielräume der Städte erheblich ein: Notwendige Investitionen in Schulen, Schwimmbäder und den öffentlichen Nahverkehr sind oft nur mit Landesmitteln oder Krediten möglich.

Zusätzlich belasten steigende Sozialausgaben – etwa durch höhere Energiepreise und den Zuzug von Geflüchteten – viele Kommunen und treiben sie in eine „Verschuldungsfalle“. Sprecher hochverschuldeter Städte wie Wuppertal und Oberhausen betonen, dass gesetzliche Aufgaben und der Erhalt der Infrastruktur ohne externe Unterstützung kaum noch zu bewältigen sind.

Die Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz hat darauf reagiert und ein Infrastrukturpaket im Umfang von 500 Milliarden Euro angekündigt, von dem langfristig auch die Kommunen profitieren sollen. Experten rechnen damit, dass innerhalb von zwölf Jahren 60 bis 70 Milliarden Euro bei den Städten ankommen werden. Für Oberhausen würde dies jedoch nur einen Bruchteil der notwendigen Investitionen decken – laut Berechnungen lediglich rund zehn Prozent, schreibt die Rzeczpospolita.

 

Autor: Joachim Ciecierski

EU: Polen vom Migrationspakt ausgenommen

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Wie die Europäische Kommission am Dienstag erklärte, ständen Bulgarien, Tschechien, Estland, Kroatien, Österreich und Polen derzeit unter erheblichem Migrationsdruck. Im kommenden Jahr dürften diese Länder daher im Rahmen des neuen EU-Asyl- und Migrationspakts vollständige oder teilweise Ausnahmen von der Umverteilung von Migranten beantragen können.

Polens Präsident Nawrocki sieht größte Bedrohung für Unabhängigkeit aus dem Osten

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Umfrage: Präsident Nawrocki nach 100 Tagen Amtszeit weiterhin beliebt

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