Nach Einschätzung der FAZ spielt in den Beziehungen zwischen Warschau und Berlin „die Vergangenheit eine stärkere Rolle als die Zukunft“. Beide Länder würden „leichtfertig das Potenzial konstruktiver Zusammenarbeit verspielen“. Die Konsultationen wirkten wie „Pflichtübungen, die beide Seiten irgendwie hinter sich bringen müssen“.
Die große Hoffnung, dass sich nach den Regierungswechseln in Warschau (2023) und Berlin (2025) eine deutliche Verbesserung der Beziehungen abzeichnen würde, habe sich bislang „zerschlagen“. Die Schuld trügen beide Seiten: In Berlin dominiere „Desinteresse“, in Warschau „Entmutigung“.
Die FAZ weist darauf hin, dass in Deutschland kaum bekannt sei, dass Polen inzwischen viertgrößter Handelspartner der Bundesrepublik und unter den 20 größten Volkswirtschaften der Welt ist. Dazu komme mangelndes Wissen über die Geschichte: „Viele Deutsche haben bis heute keine Vorstellung davon, was die Besatzung Polens bedeutete.“ Deshalb sei die Empörung in Polen verständlich gewesen, als ein Auktionshaus in Neuss Dokumente und Gegenstände aus dem Besitz von Opfern deutscher und sowjetischer Verbrechen versteigern wollte.
Die Zeitung betont, dass polnische nationalkonservative Parteien wie PiS und Konfederacja solche Ereignisse nutzen, um antideutsche Stimmungen zu schüren. Polens Präsident Karol Nawrocki, der diesen Parteien nahestehe, stelle Reparationsforderungen als Bedingung für Kooperation.
Gleichzeitig reagiert Premierminister Donald Tusk nach Ansicht der FAZ „hilflos und ängstlich“. Er kapituliere vor den Nationalisten im eigenen Land, die ihn als „deutschen Befehlsempfänger“ diffamierten. Um nicht den Eindruck einer Annäherung an Deutschland zu erwecken, werde es auf polnischen Wunsch bei den Konsultationen keine gemeinsamen Fotos der Regierungschefs am Ort des Gedenkens an die Opfer des Krieges geben.
Die FAZ spricht von „diplomatischer Hilflosigkeit“. Bedeutende Projekte wie der Ausbau der grenzüberschreitenden Infrastruktur oder die gemeinsame Abwehr der Bedrohung aus Russland kämen nicht voran. Stattdessen streite man „über Grenzkontrollen“ – zu wenig für zwei Länder, „die zusammen über ein Viertel der EU-Bevölkerung und ein Drittel der EU-Wirtschaft repräsentieren“.
In ähnlichem Ton kommentiert auch die Süddeutsche Zeitung. Von dem von Kanzler Friedrich Merz angekündigten „Neustart“ in den Beziehungen sei „nichts übriggeblieben“. „Im Gegenteil: Etwas scheint nicht zu funktionieren zwischen den Nachbarn“, schreibt das Blatt.
Bei den Konsultationen am Montag seien „keine großen Entscheidungen“ zu erwarten, so die SZ. Die Schwerpunkte lägen auf Verteidigung und besseren Verkehrsverbindungen. Thema sei auch das geplante Denkmal für die polnischen Opfer deutscher Aggression und Besatzung in Berlin.
Merz habe eigentlich „viel größere Pläne“ gehabt: An seinem ersten Amtstag reiste er nicht nur nach Paris, sondern auch nach Warschau. Doch „nichts davon hat sich erfüllt“. Die SZ erinnert an selbsternannte Aktivisten, die im Frühjahr an polnischen Grenzübergängen gegen angeblich von Deutschland „abgeschobene“ Migranten protestierten.
Ein neuer „Barometer Polen–Deutschland“ zeigt zudem: Nur 32 Prozent der Polen empfinden Sympathie für Deutschland; der Anteil negativer Einstellungen ist so hoch wie seit Jahren nicht. „Zwei Zahlen stechen hervor“, schreibt die SZ: Nur 17 Prozent der Polen glauben, Deutschland habe genug getan, um seine Kriegsverbrechen und Zerstörungen zu sühnen – während 60 Prozent der Deutschen meinen, es sei „ausreichend“ geschehen.
PAP/FAZ/SZ/jc