Deutsche Redaktion

"Nürnberg für die Herolden des Kriegs"

12.07.2022 10:55
Die konservativ-liberale Rzeczpospolita zitiert auf der Titelseite ihrer heutigen Ausgabe Aussagen von führenden Vertreter der russischen Propagandamaschine. Außerdem geht es auch um den richtigen Umgang mit der schwierigen polnisch-ukrainischen Vergangenheit.
Żaryn: w przekazach informacyjnych Kremla wracają tezy znane z czasów stalinowskiej propagandy
Żaryn: w przekazach informacyjnych Kremla wracają tezy znane z czasów stalinowskiej propagandyShutterstock

Rzeczpospolita: Nürnberg für die Herolden des Kriegs

Die konservativ-liberale Rzeczpospolita zitiert auf der Titelseite ihrer heutigen Ausgabe Aussagen von führenden Vertreter der russischen Propagandamaschine. Nur eine von ihnen. “Ihr droht Russland mit weiteren Sanktionen. Steckt sie Euch in den Hintern. (...) Wenn ihr meint, dass wir in der Ukraine anhalten, dann überlegt lieber 300 Mal. Ich erinnere nur, dass die Ukraine nur eine Übergangs-Etappe bei der Sicherung der strategischen Sicherheit der Russischen Föderation ist”, so Wladimir Solowjow, Moderator der Kanäle Rossija 1 und Rossija 24.

Wenn man diese und ähnliche Aussagen lese, fühle man sich an die schlimmsten Muster der deutschen Nazizeit erinnert, schreibt der Chefredakteur des Blatts Bogusław Chrabota. Die Moderatoren der russischen Staatsmedien, so Chrabota, seien zynische Nachfolger von Goebbels und Streicher und damit direkt für den Tod von Tausenden von Menschen verantwortlich. Er, so der Autor, sei überrascht von ihrem Gefühl der Straflosigkeit. Sie müssten doch verstehen, dass das Regime im Kreml - wie alle Regime - irgendwann fallen werde und neue Zeiten anbrechen. Vielleicht würden sie glauben, dass ihr Vorgehen vergessen wird. Aber das werde nicht geschehen. Wenn das Grauen des Kriegs ende, würden sie alle vor Gericht landen müssen. Denn ihr Verbrechen sei genauso schwer, wie das derjenigen, die sich diesen Krieg ausgedacht haben und derjenigen, die schießen. Sie müssten ein neues Nürnberg erfahren, wie Streicher. Und ihre eigenen Strafprozesse, wie die Radiomoderatoren, die in Ruanda zum Völkermord aufgerufen hätten. 

Rzeczpospolita: An Wolhynien erinnern, der Ukraine helfen

Der gestrige Jahrestag des Völkermords in Wolhynien weckt in diesem Jahr große Emotionen. Seiner Ansicht nach zu große, schreibt indes der Publizist der Rzeczpospolita, Michał Szułdrzyński. Dies sei natürlich die Folge der Aussagen des mittlerweile ehemaligen ukrainischen Botschafters in Berlin Andrij Melnyk, der das Massaker relativiert und mit der Behandlung der ukrainischen Minderheit in der zweiten Republik Polen verglichen habe. Nur, so der Autor, dass man den Mord an 100 Tausend polnischen Bürgern so nicht erklären könne. Das ukrainische Außenministerium habe sich von der Aussage distanziert, doch die Emotionen würden weiterhin, auch wegen des Kriegs in der Ukraine, Polens Unterstützung für Kiew und der Aufnahme von Millionen von Flüchtlingen, hochkochen. Doch hier, so der Autor, sollte es keinen Widerspruch geben. Es sei Polens Staatsräson, der Ukraine im Krieg gegen Russland zu helfen. Ebenso sei es auch polnische Staatsräson, an die Zehntausenden Opfer des Völkermords in Wolhynien zu erinnern, Friedhöfe zu bauen und darauf hinzuarbeiten, dass es zu einer Abrechnung mit dem Verbrechen auf ukrainischer Seite kommt. Denn ein Staat, der nicht an seine verstorbenen Bürger denkt, werde auch nicht für die Lebenden sorgen können. Aber die Hilfe heute von einer Abrechnung mit der Vergangenheit abhängig zu machen, wäre ein schwerer Fehler. Erstens seien Konflikte zwischen Polen und der Ukraine heute vor allem im Interesse Russlands. Zweitens, würde eine solche Haltung bedeuten, dass man Tausende Ukrainer zum Tod verurteilt. Auch das wäre im Interesse Russlands. Es bleibe also, der Ukraine klar unsere Erwartungen zu kommunizieren, sich aber gleichzeitig in Geduld zu üben. Und bei Gelegenheit auch die Ukrainer nicht zu vergessen, die während des Massakers ihre polnischen Nachbarn gerettet und dabei ihr Leben riskiert haben. Die Instrumentalisierung der Erinnerung an Wolhynien werde, vor allem heute, nichts Gutes bringen. Weder den Polen, noch den Ukrainern, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita. 

Do Rzeczy: Botschafter von Bandera

Andrij Melnyk, der in Deutschland für zahlreiche Kontroversen gesorgt hatte, ist nicht mehr ukrainischer Botschafter in Berlin. Nun wird spekuliert, dass der für seinen polemischen Stil bekannte Diplomat, Vize-Außenminister in Kiew werden könnte. Für Polen wäre Melnyk auf diesem Posten ein weitaus größeres Problem, als Botschafter in Berlin, schreibt Maciej Pieczyński im nationalkonservativen Wochenblatt Do Rzeczy. Einerseits ein Image-Problem, denn eine Beförderung Melnyks nach seinen Versuchen, den Völkermord an polnischen Bürgern zu relativieren, würde bedeuten, dass Kiew keine Rücksicht auf die Meinung Warschaus nimmt. Aber auch ein praktisches Problem, da Melnyk auf seinem neuen Posten die Politik Kiews in weitaus größerem Maße mitgestalten könnte. Warschau sollte in dieser Angelegenheit Druck auf das Team von Selenskyj ausüben und versuchen, die Beförderung zu blockieren. Oder wenigstens Kiew überzeugen, dem scharfzüngigen Diplomaten Aussagen über historische Themen zu verbieten, so Maciej Pieczyński in Do Rzeczy.

Autor: Adam de Nisau