Deutsche Redaktion

Das gleiche Wort mit einer völlig anderen Bedeutung

19.07.2022 05:58
Die vielen falschen Analysen der Russland-Politik.
Władimir Putin
Władimir PutinShutterstock/Tverdokhlib

PLUS MINUS: Das gleiche Wort mit einer völlig anderen Bedeutung

In seinem Kommentar in der Wochenzeitschrift Plus Minus erinnert sich der Publizist Michał Szułdrzyński an die vielen falschen Analysen der Russland-Politik in den letzten Jahren. Zum Beispiel als 2008 Dmitrij Medwedjew russischer Präsident geworden sei, hätten die meisten Kommentatoren zwar keine Zweifel gehabt, dass er ein Mann Putins sei. Doch Europa habe eine gewisse Entspannung erwartet. Da ein junger Politiker einen solch wichtigen Posten übernehme, müsse er wohl liberal gesinnt sein, habe man damals gedacht. Wie falsch jene Vorstellungen gewesen waren, sehe man heute, wenn man die Aussagen Medwedjews im Internet lese. Die Hasstiraden des Russen in Bezug auf den Westen würden für sich sprechen.

Im Falle von Putin habe der Westen wohl den gleichen Fehler begangen, als er 1999 die Macht in Russland übernommen habe. Vor kurzem habe der polnische Ex-Präsident Aleksander Kwaśniewski zugegeben, schon im Jahr 2002 habe ihm Putin von seinen Plänen erzählt, ein Großrussland aufbauen zu wollen. Auch wenn man dabei das ukrainische Territorium hätte übernehmen müssen. Kwaśniewski gebe heute zu, er habe die Aussage des russischen Politikers damals nicht ernst genommen.

Vor kurzem habe sich der Publizist ein Interview mit der ehemaligen amerikanischen Moskau-Korrespondentin angehört. Sie sei bei dem bekannten Treffen Putins mit der westlichen Presse im Jahr 2000 anwesend gewesen. Dort habe der russische Politiker zum ersten Mal öffentlich zum Ausdruck gebracht, dass er den Zerfall der Sowjetunion für die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts halte. Die amerikanische Journalistin habe ebenfalls zugegeben, dass man die Worte Putins damals nicht ernst genommen habe, man habe seine Botschaft überhaupt nicht verstanden. Die Menschen im Westen hätten mit der Sowjetunion voll allem die Armut und das Elend der Bürger assoziiert. Wie könne man sich nach einer solchen Welt sehnen, habe man sich damals in der Journalistenrunde gewundert. Für Putin aber sei die Sowjetunion eine Großmacht gewesen, vor der sich die ganze Welt gefürchtet habe. Um es zu verstehen, habe der Westen 22 Jahre gebraucht. Und sogar heute hätten es manche immer noch nicht verstanden, urteilt der Publizist.

Man sollte es sich endlich vergegenwärtigen, dass sich sowohl Putin als auch die gesamte russische Politik in einer anderen Dimension befinden würden. Je früher wir verstehen würden, dass die gleichen Worte im Westen und in Russland völlig anders definiert werden, desto besser für uns, die Polen, aber auch für den Westen, schreibt Michał Szułdżyński in der Wochenzeitschrift Plus Minus. 

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Die Russen werden stärker 

Die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna druckt Ausschnitte des Interviews mit dem  Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais. Der Soldat habe sich von der „Blauäugigkeit“ überrascht gezeigt, mit der Russland in den Krieg gezogen sei. Zugleich warne der General davor, die russischen Streitkräfte zu unterschätzen. Mit ihrer Artillerie-Überlegenheit arbeite sich die russische Armee offenbar Kilometer für Kilometer nach vorne. Das sei ein Zermürbungs- und Abnutzungskrieg, der die Frage aufwerfen werde, wie lange die Ukraine das durchhalten könne, lesen wir.

Auch wenn Russland die Ausrüstung und Munition aus den 60-er Jahren verwende, verfüge Moskau über beinahe unerschöpfliche Ressourcen. Darüber hinaus scheine die Zahl der gefallenen Soldaten in einem autokratischen Staat keine politische und moralische Rolle zu spielen. Man dürfe auch die anhaltende Unterstützung für den Krieg unter der russischen Bevölkerung nicht aus den Augen verlieren. Einen großen Einfluss würden dabei die vom Staat kontrollierten Medien haben.

Mais habe zu Beginn des Ukrainekriegs für Aufsehen gesorgt, als er auf dem Karrierenetzwerk LinkedIn geschrieben habe, das Heer stehe ziemlich blank da, erinnert die Zeitung. In den letzten Monaten habe er seine Meinung nur teilweise geändert. Die Bundeswehr könne alle an sie gestellten Aufgaben erfüllen, wenn sie genügend Vorbereitungszeit habe, um Material und Personal zu organisieren, stellte der oberste Heeres-Chef nun klar. Aber wenn es ganz schnell gehen müsste, hätte Deutschland ein Problem. Und das könne sich das Land angesichts der Zeitenwende nicht mehr leisten, lesen wir in der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna.


Jakub Kukla