Deutsche Redaktion

“Tusk wie Birgitte Nyborg?”

20.06.2025 12:38
Wäre Premierminister Tusk gut beraten, sich gemeinsam mit den Koalitionspartnern eine Polit-Serie anzusehen? Ein ehemaliger Berater von Margaret Thatcher erhebt nach Präsidentschaftswahlen schwere Vorwürfe gegen Polens Regierungskoalition. Und: UN-Flüchtlingswerks-Chef für Polen sagt, was ihm in der polnischen Debatte über Flüchtlinge fehlt. Mehr dazu in der Presseschau. 
Premierminister Donald Tusk whrend einer Pressekonferenz im Garten der Kanzlei des Premierministers in Warschau, 20 bcm. Der Premierminister gab seine Entscheidung bekannt, den ehemaligen Minister fr Angelegenheiten der Europischen Union Adam Szłapka zum Regierungssprecher zu ernennen. (jm) PAPPiotr Nowak
Premierminister Donald Tusk während einer Pressekonferenz im Garten der Kanzlei des Premierministers in Warschau, 20 bcm. Der Premierminister gab seine Entscheidung bekannt, den ehemaligen Minister für Angelegenheiten der Europäischen Union Adam Szłapka zum Regierungssprecher zu ernennen. (jm) PAP/Piotr NowakPAP/Piotr Nowak

"Rzeczpospolita": Tusk wie Birgitte Nyborg? Koalitionsmanagement nach dänischem Vorbild

In der politischen Maschine von Donald Tusk und seinen Koalitionspartnern knirscht es immer stärker. Vielleicht wäre der Premierminister gut beraten, statt weiterer Koalitionsgespräche zu organisieren, ein paar Folgen der dänischen Serie "Borgen" zu sehen, schreibt der Publizist Michał Kolankon in der konservativ-liberalen Rzeczpospolita. 

Nach Tusks "zweitem Exposé", so der Autor, würden in den Regierungs- und Sejm-Kulissen grundlegende Fragen über die Zukunft der Koalition und Tusks Führung gestellt. Kolanko sieht Tusk vor "wahrscheinlich der schwierigsten Herausforderung seit 2007".

Die PiS hoffe auf "politische Fäulnis und eine Wiederholung der Geschichte” - bisher sei es für Regierungschefs, nachdem sie einmal die Unterstützung verloren hätten, stets nur weiter bergab gegangen. Oder auf das "deutsche Szenario" mit Koalitionsbruch und vorgezogenen Wahlen.

Als Vorbild für Tusk und seine Koalitionspartner empfiehlt der Autor die fiktive dänische Premierministerin Birgitte Nyborg aus der Serie "Borgen", die eine ähnlich bunte Koalition führe. Der entscheidende Unterschied: "Die Koalition in 'Borgen' funktioniert normalerweise. Selbst die schwierigsten und sie am meisten spaltenden Fragen sind Gegenstand langer interner Absprachen", beobachtet Kolanko. Wichtig sei die "Kompromisskultur: Beratungen, Treffen, Transparenz, Kommunikation, öffentliche Meinung."

Für Mitte Juni, fährt der Autor fort, sei eine Regierungsumbildung geplant: Das Kabinett werde "verschlankt", die Spielregeln "neu definiert", ein Regierungssprecher ernannt. Bisher habe Tusk behauptet, diese Rolle selbst am besten zu erfüllen, "aber unter den Bedingungen der modernen Mediendemokratie kann selbst ein so talentierter Politiker wie er nicht erfolgreich die Funktionen des Regierungschefs und ihres Haupterzählers verbinden."

Die entscheidende Frage bleibe: Werde es ein Modell sein, "in dem der Erfolg eines Ministers oder einer Ministerin aus einer Partei zum Erfolg der gesamten Regierung wird und Kompromisse nicht nur die einzelnen Anführer, sondern auch die Koalition stärken"? Oder bleibe alles beim Alten: "Rivalität um Einfluss, Leaks, Interessensspiele, in denen der Erfolg einer Seite den Verlust der anderen bedeutet"?

Vielleicht sollte Premier Tusk die Koalitionsführer in die Parkowa-Straße einladen und einfach... einige Folgen von 'Borgen' einschalten? Um zu sehen, wie eine Regierung funktionieren kann, in der trotz Unterschieden und Spannungen die Verwirklichung gemeinsamer Ziele möglich ist, so Michał Kolanko in der Rzeczpospolita.

Do Rzeczy: Scharfe Kritik aus Großbritannien: Tusk als "Marionette der EU-Eliten"

Die Jagd nach Unregelmäßigkeiten bei den Präsidentschaftswahlen und die Äußerungen von Politikern der Regierungskoalition, die von einer möglichen Wahlfälschung sprechen bleiben ein wichtiges Thema der Pressekommentare. In diesem Kontext greifen heute vor allem die nationalkonservativen Medien die Attacke des Direktors des Margaret Thatcher Freedom Center und ehemaligen Beraters der britischen Premierministerin, Nile Gardner auf die Regierung Tusk auf. 

Hintergrund: Wie das nationalkonservative Wochenmagazin “Do Rzeczy” auf seiner Internetseite erinnert, ist kurz nach den Präsidentschaftswahlen eine Debatte über ihre Gültigkeit entbrannt. Die Staatliche Wahlkommission habe den Wahlbericht angenommen, der nun an den Obersten Gerichtshof gehe. Über die Gültigkeit der Wahlen soll dessen Kammer für außerordentliche Kontrolle und öffentliche Angelegenheiten entscheiden, deren Status die Tusk-Regierung unter Berufung auf europäische Gerichtsurteile bestreitet.

Gleichzeitig, so “Do Rzeczy”, behaupte "das Umfeld um Roman Giertych offen, dass die Präsidentschaftswahlen gefälscht wurden." Auch Teile der Bürgerkoalition forderten eine Neuauszählung.

Gardiner reagierte scharf: "Ich habe keinen Zweifel, dass meine ehemalige Chefin Margaret Thatcher entsetzt und zutiefst betrübt wäre über die gefährlichen Ereignisse im heutigen Polen, wo linke Eliten unter der Führung von Donald Tusk aktiv die hart erkämpften Freiheiten der Polen untergraben und zerstören." Die USA sollten "die Bedrohung der Demokratie im Herzen Europas" verurteilen, so Gardiner.

In einem weiteren Beitrag habe Gardiner "Donald Tusks Premierschaft als Tragödie für Polen" bezeichnet und ihn eine "Marionette der arroganten EU-Eliten, die Angst vor Demokratie und nationaler Souveränität haben" genannt, erinnert Do Rzeczy.

"Gazeta Wyborcza": Das soll diese Invasion sein? Ukrainische Flüchtlinge als Wirtschaftsmotor

Heute ist Weltflüchtlingstag. Die linksliberale Gazeta Wyborcza nimmt das bereits zum vierten Mal zum Anlass, um dem Thema eine Sonderausgabe zu widmen. Mit dabei auch ein Interview mit dem Chef des UNHCR-Büros  in Polen, Kevin J. Allen.

Wie der Experte betont, habe sich die Zahl der zwangsweise vertriebenen Menschen in einem Jahrzehnt auf 120 Millionen verdoppelt. Als Hauptursache sieht Allen eine "ernste Krise des Multilateralismus" - der UN-Sicherheitsrat könne den Weltfrieden nicht hüten, regionale internationale Organisationen versagten. "Wir sehen das im UN-Sicherheitsrat, der nicht imstande ist, den Weltfrieden zu hüten, wir sehen es in regionalen internationalen Organisationen." Als Folge entstünden Tragödien wie die russische Invasion der Ukraine.

Zusätzlich würden "die Kriegsrechte, also die Genfer Konvention und das internationale Humanitäre Recht, völlig ignoriert.” Armeen oder Milizen würden straflos die Zivilbevölkerung angreifen und die Infrastruktur zerstören.

Ponad połowa Ukraińców, którzy uciekli ze swojej ojczyzny, mieszka w Polsce i Niemczech. #EMOVE #wyborcza @artefr.bsky.social wyborcza.pl/7,82983,3203...

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— Gazeta Wyborcza (@wyborcza.pl) June 20, 2025 at 12:17 PM

Polens Reaktion auf die ukrainische Flüchtlingskrise, lesen wir weiter,  sei "vorbildlich" gewesen. "In über 20 Jahren Arbeit im UNHCR habe ich nie eine so effektive Mobilisierung eines ganzen Staates und einer Gesellschaft gesehen, um Flüchtlingen rechtlichen Schutz, Arbeitsrecht, Bildungsrecht und Gesundheitsversorgung zu gewährleisten", so Allen.

Beeindruckend seien auch die wirtschaftlichen Ergebnisse. Polen habe 2022 über 4,5 Millionen ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, derzeit seien etwa 1 Million als Personen mit internationalem Schutz registriert. "Polen handelte sehr klug, indem es diesen Flüchtlingen ermöglichte, sofort Arbeit aufzunehmen und wirtschaftliche Tätigkeiten zu führen."

Eine gemeinsam mit Deloitte durchgeführte Studie, die auf offiziellen Daten von GUS und ZUS basiere, zeige: "Ukrainische Flüchtlinge generierten 2024 2,7 Prozent des polnischen BIP." Das Überraschende sei gewesen, "dass die Anwesenheit der Flüchtlinge nicht nur die Produktivität und das BIP erhöhte, sondern auch die Löhne der Polen steigen ließ.” Als Ukrainer schlechter bezahlte Arbeiten übernommen hätten, hätten sich die Polen zunehmend auf besser bezahlte Berufe spezialisieren können.

Die Arbeitslosenquote in Polen sei eine der niedrigsten in der EU. "Ist das eine Invasion? Nein, das ist eine für alle Seiten vorteilhafte Situation", betont der Experte. Langfristig bringe die Situation noch bessere Früchte: "Wenn der Krieg endet, werden Menschen, die hier Geld verdienten, den Westen kennenlernten, die Funktionsweise der EU-Regularien verstehen, in die Ukraine zurückkehren und weiter im Geschäft tätig sein. Das wird vorteilhaft für den grenzüberschreitenden Handel und direkte Investitionen sein", prognostiziert er.

Deshalb müsse man den Menschen auch systematisch zeigen, welche Fakten vorliegen, und nicht nur über Emotionen sprechen. Man müsse den Menschen zeigen, dass dank kluger Unterstützung der Flüchtlinge eine tragische Situation so verändert werden kann, dass sie für das Land, das sie aufgenommen hat, vorteilhaft ist.

Zur umstrittenen Aussetzung des Asylrechts an der belarussischen Grenze, wo "Migranten von den Regimen Lukaschenkos und Putins zu uns geschleust werden", erklärte Allen diplomatisch: "Die Aussetzung der Annahme von Asylanträgen ist eine problematische Lösung. Sie entspricht nicht dem Völkerrecht. Wir verstehen die Gründe, weil die Situation, mit der Polen an der Grenze zu Belarus zu tun hat, sehr komplex und außergewöhnlich ist." Dennoch bestehe das UNHCR darauf, "dass Menschen, die von Menschenhändlern oder Schmugglern ausgenutzt wurden, weiterhin verifiziert werden und Flüchtlinge Asyl erhalten müssen. Sie sind doppelte Opfer."

Es reiche aus, "Kontrollmechanismen einzuführen, um ziemlich schnell festzustellen, wer wer ist, wer eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen könnte, wer kein Recht hat, sich um den Flüchtlingsstatus zu bewerben, und wem es zusteht", so Kevin J. Allen im Gespräch mit Gazeta Wyborcza.

Autor: Adam de Nisau 


UNHCR-Studie: Ukrainische Flüchtlinge stärken polnische Wirtschaft erheblich

11.06.2025 12:13
Die Kriegsflüchtlinge generierten 2024 bereits 2,7 Prozent des polnischen Bruttoinlandsprodukts, zeigt der neue Bericht von Deloitte für das UN-Flüchtlingshilfsnetzwerk.

"Spekulationen über "Putsch" in der Bürgerplattform"

13.06.2025 13:57
Wird Premierminister Tusk bei den nächsten Wahlen nicht mehr für den Posten des Regierungschefs zur Verfügung stehen? Das Smartphone-Verbot an Schulen scheint nach der Regierungserklärung näherzurücken. Und: Nach Rücktritt - Sportjournalist Stefan Szczepłek lässt kein gutes Haar an Ex-Nationaltrainer Michał Probierz.

Tusk sieht keine Notwendigkeit zur Neuverhandlung des Koalitionsvertrags

13.06.2025 13:44
Ministerpräsident Donald Tusk sieht derzeit keine Notwendigkeit, den bestehenden Koalitionsvertrag neu zu verhandeln. Bei einer Pressekonferenz in Skarżysko-Kamienna sagte Tusk am Donnerstag, er konzentriere sich auf die Umstrukturierung der Regierung, um deren Effizienz zu steigern. Forderungen nach Änderungen am Koalitionsvertrag kommentierte er zurückhaltend: „Fragen Sie diejenigen, die am lautesten darüber sprechen, was sie konkret meinen.“

„Wahlfälschung oder politisches Theater?"

17.06.2025 14:00
Immer mehr Anhänger und Politiker der Bürgerkoalition fordern die Annullierung der Wahlen. Bedeutet das, dass die KO nach dem Sieg von Karol Nawrocki keinen Plan B hat? In Berlin steht ein Gedenkstein an polnische Opfer des Krieges. Anscheinend verstehen die Deutschen die Polen nicht. Die Frage lautet, ob sie es überhaupt wollen. Und:Wird der Druck auf den Iran Russland und China schwächen? Mehr dazu in der Presseschau.

Ende des "Dritten Weges" - PSL und Polska 2050 gehen getrennte Wege

18.06.2025 10:31
"Der Dritte Weg war ein Wahlprojekt, wir hatten uns auf vier gemeinsame Wahlen geeinigt. Das ist hinter uns", sagte Kosiniak-Kamysz in Radio ZET. Die PSL werde künftig eigenständig antreten.

Politiker erhebt Vorwürfe wegen Wahlbetrugs

20.06.2025 07:44
Politiker und Anwalt Roman Giertych hat den lokalen Wahlkommissionen Wahlmanipulation bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl vorgeworfen. Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch sprach der Abgeordnete der regierenden Bürgerkoalition von „Hinweisen auf Wahlbetrug in fast jedem Fall“, die sich aus neu zugänglichen Protokollen ergäben.