Rzeczpospolita: Dekonstruktion der Regierung
Von Anfang an sei alles schief gelaufen. Die Ankündigung tiefgreifender Veränderungen in der Regierung kam nämlich vom Premierminister zwischen der ersten und zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen, schreibt Marek Migalski für die Rzeczpospolita. Ein völlig unverständlicher Schritt. Der Kandidat der Bürgerkoalition, Rafał Trzaskowski, habe nämlich dringend die Stimmen der Anhänger von Szymon Hołownias Partei Polska 2050 und Magdalena Biejat Neue Linke benötigt. Doch diese hätten kurz vor der zweiten Runde der Wahlen erfahren, dass ihre bevorzugten Parteien im Nachhinein in der Regierung „gestutzt“ werden sollen. Das dürfte sie kaum zur Unterstützung des Vizechefs der Bürgerkoalition motiviert haben, heißt es im Blatt.
Trotz der Niederlage seines Stellvertreters bei der Präsidentschaftswahl halte Donald Tusk an der geplanten Regierungsumbildung fest – verschob sie jedoch zeitlich. Seit fünf Wochen ziehe sich die Reform schon hin. Die Effektivität seines Kabinetts leide darunter spürbar. Geht es nach dem Autor, konzentrieren sich die Regierungsparteien weniger auf die Arbeit für die Bürger, sondern vielmehr darauf, sich bei den bevorstehenden Gesprächen möglichst gute Ausgangspositionen zu sichern. Sie wollen auch ihre bisherigen Posten und den Zugang zu staatlichen Geldern verteidigen. Das dürfte kaum im Sinne des PO-Vorsitzenden gewesen sein, lesen wir.
Was noch problematischer sei, heißt es weiter, die Koalitionsparteien sollen dem Premier zeigen, sie hätten Alternativen und müssten sich seiner Linie nicht beugen. Tusks Idee mit der Regierungsumbildung bringe somit nicht die erhofften Resultate, schreibt Migalski. Sie schwäche nur das Regierungslager und vertiefe bestehende Gräben. Statt einer Rekonstruktion liefere Tusk eine Dekonstruktion der Regierung. Und mehr noch: Er habe damit eine Debatte angestoßen, mit der er wohl selbst nicht gerechnet hat – über seinen eigenen Rücktritt, lesen wir.
Die Idee der Regierungsumbildung habe sich somit gegen ihre Urheber gewendet. Anstatt die Regierungskoalition zu festigen, habe sie die Spannungen innerhalb des Bündnisses verschärft, das Vertrauen zwischen den Partnern geschwächt und letztlich eine Debatte über die Notwendigkeit eines Wechsels an der Regierungsspitze ausgelöst. Wie ein bekanntes Sprichwort sagt, heißt es am Schluss: Vom bloßen Umrühren wird der Tee nicht süßer. Eine Personalrochade ersetze keinen echten Neustart. Doch im vorliegenden Fall könnte man sagen, lautet Marek Migalskis Fazit in der Rzeczpospolita: Wenn weitergerührt wird wie bisher, zerbricht bald das Glas.
Forsal: Polnische Regierung lehnt gemeinsame Grenzpatrouillen mit Deutschland ab
Trotz Appellen der EU zur Zusammenarbeit soll Polen gemeinsame Grenzpatrouillen mit Deutschland entschieden abgelehnt haben. Diese Entscheidung könnte die Spannungen an der Grenze verschärfen und das Migrationschaos weiter anheizen. Was steckt dahinter – und warum will die polnische Regierung keine deutschen Beamten auf ihrer Seite? Das fragt das Online-Wirtschaftsblatt Forsal.
Polens Innenminister soll das deutsche Angebot gemeinsamer Grenzpatrouillen abgelehnt haben. Warschau wolle demnach eigenständig handeln und keine Lösungen akzeptieren, lesen wir, die Berlin das Zurückschicken von Migranten nach Polen erleichtern könnten. Mit dieser Entscheidung wolle die polnische Regierung klar machen, dass sie die umstrittene deutsche Pushback-Politik nicht unterstütze. Eine ähnliche Taktik habe zuvor auch an der polnisch-weißrussischen Grenze die polnische Grenzschutzbehörde angewendet.
In offiziellen Mitteilungen werde zwar nicht explizit von einer Ablehnung des deutschen Angebots gesprochen. Doch eines sei sicher: Polen setze auf Eigenständigkeit statt Koordination. Seine Sicherheitsdienste würden dabei vom polnischen Militär unterstützt – unter anderem durch mindestens drei Brigaden der Territorialen Verteidigungskräfte WOT. Insgesamt sollen rund 5.000 Soldaten an der Operation „Sicherer Westen“ beteiligt sein.
Wie es weiter heißt, könnte Polens Weigerung, gemeinsame Grenzpatrouillen mit Deutschland durchzuführen, spürbare Folgen für das tägliche Leben in den Grenzregionen haben. Getrennte Kontrollen auf beiden Seiten drohen den Personen- und Warenverkehr zu verlangsamen. Grenzpendler sollen bereits von längeren Wartezeiten sprechen, und Ökonomen warnen vor negativen Auswirkungen auf den Handel. Hinzu komme das Risiko eines „Migranten-Pingpongs“ – eine Situation, in der von Deutschland zurückgewiesene Personen versuchen, erneut über die Grenze zu gelangen.
Sowohl Vertreter der deutschen Regierung als auch der Opposition sollen das Vorgehen Polens als europafeindlich und schädlich für den Zusammenhalt des Schengen-Raums kritisieren. SPD und Grüne schlagen Alarm: Ein gemeinsames Europa ohne Grenzen gerate ins Wanken. Einseitige Maßnahmen würden zu einem institutionellen und humanitären Ausnahmezustand führen. Polen bleibe indes auf Kurs der Eigenständigkeit, so Forsal, und betone, es müsse seine nationalen Interessen und Verfahren schützen.
Wie lange dieser Stillstand anhält – und ob am Ende nur die Migranten die Benachteiligten sein werden – bleibe abzuwarten. Alles deute jedoch darauf hin, dass die Spannungen zwischen Warschau und Berlin gerade erst beginnen, lautet die Schlussfolgerung im Online-Blatt.
DoRzeczy: „Mitschuld der Polen am Holocaust“ Teil des Deutsch-Polnischen Hauses?
Im entstehenden Deutsch-Polnischen Haus in Berlin soll eine Ausstellung einen Abschnitt enthalten, der von der angeblichen „Mitschuld der Polen am Holocaust“ handle, schreibt indes das rechtskonservative Portal des Wochenblatts DoRzeczy. Laut dem Publizisten Paweł Sokała sehe das Ausstellungskonzept des Hauses vor, dass die „polnische Mitschuld“ ein integraler Bestandteil der Präsentation sein soll. Begründet werde dies mit dem angeblichen Bedürfnis, „vielfältige Perspektiven des Erinnerns“ zu zeigen.
Peter Oliver Loew vom Deutschen Polen-Institut soll kürzlich im Berliner Zweig des Pilecki-Instituts erklärt haben, dass man diese Geschichte nicht aus nur einer Perspektive erzählen könne – es müssten mehrere, viele Perspektiven dargestellt werden. Dazu gehörten auch Kontroversen wie Fragen der Kollaboration und der Beteiligung am Holocaust, lesen wir.
Auch der Wochenzeitschrift „Tygodnik Solidarność“ zufolge habe das sogenannte Deutsch-Polnische Haus von Anfang an den Verdacht erweckt, ein Instrument deutschen Einflusses auf die historische Debatte zu sein. Als Beispiel führt das Magazin frühere Aussagen von Peter Oliver Loew an. In der „Welt“ soll dieser unter anderem erklärt haben, die polnischen Reparationsforderungen zum Beispiel seien ein „Ruf nach Aufmerksamkeit“, lesen wir.
Seiner Ansicht nach hätten sich die Polen und Deutschen über drei Generationen hinweg mit dem Trauma des Zweiten Weltkriegs auseinandergesetzt. Das Gedenken an deutsche Verbrechen im besetzten Polen bestimme allerdings weiterhin die aktuelle Politik in Warschau und die Beziehungen zu Deutschland. Die Entschädigungsforderungen von Jarosław Kaczyński und seiner Partei seien nur ein Teil davon, heißt es.
Loew nach hätten sowohl die Linke als auch die Rechte in Polen das Gefühl, von Deutschland nicht ausreichend gehört zu werden. Als möglichen Ausweg schlug er die Schaffung eines Erinnerungsortes vor. Aus seinen Äußerungen lasse sich schließen, dass das Deutsch-Polnische Haus in Berlin in gewissem Sinne als Antwort auf die Reparationsfrage verstanden werden könnte.
Derzeit erinnere in Berlin allerdings nur weiterhin ein Gedenkstein an die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs, lesen wir abschließend. Dieser wurde im April diesen Jahres in die deutsche Hauptstadt überführt und am 16. Juni feierlich enthüllt.
Autor: Piotr Siemiński