Deutsche Redaktion

„Chaotischer Jahrmarkt". Ist Europa zur Selbstständigkeit fähig?

04.12.2025 11:01
Ist Europa ohne die USA zur Selbstständigkeit fähig? Der jüngste „Friedensplan" der Trump-Administration hat erneut Zweifel an der transatlantischen Partnerschaft geschürt. Doch die EU ähnele weiterhin einem chaotischen Jahrmarkt, schreibt der Politikwissenschaftler Jan Zielonka. In Polen diskutiert man indes, ob Warschau die Entschädigungen für lebende Kriegsopfer aus eigener Tasche zahlen sollte, falls Berlin weiterhin blockiert. Und: Polnische Forscher sorgen mit einem KI-Durchbruch für weltweite Aufmerksamkeit. Mehr dazu in der Presseschau.
Jest zgoda unijnych krajów na trzecią wypłatę dla Polski z Krajowego Planu Odbudowy
Jest zgoda unijnych krajów na trzecią wypłatę dla Polski z Krajowego Planu OdbudowyROMEO BOETZLE/AFP/East News

RZECZPOSPOLITA: „Europa ohne Amerika erinnert an einen chaotischen Jahrmarkt"

Der Politikwissenschaftler Jan Zielonka stellt in seinem Kommentar für die konservativ-liberale RZECZPOSPOLITA eine unbequeme Frage: Ist Europa überhaupt zur Selbstständigkeit fähig? Die Wahrheit sei, so Zielonka, dass das vereinte Europa unter amerikanischem Druck entstanden sei und erstarkt sei. Amerika habe die europäischen Nationen, insbesondere Deutsche und Franzosen, dazu gebracht, ihre jahrhundertealten Streitigkeiten beizulegen und den Weg der Integration einzuschlagen. Der Sicherheitsschirm, den Amerika über Europa gespannt habe, habe die Entwicklung einer integrierten Wirtschaft und die Sozialausgaben ermöglicht.


Heute sei nicht ganz sicher, ob das vereinte Europa ohne Hilfe oder sogar Druck aus Washington überleben könne, analysiert der Autor. Die Trump-Administration behandle das vereinte Europa als undankbaren Schuldner und Hindernis für ihre „seltsame globale Strategie". Doch auch ein Abgang Trumps bedeute nicht unbedingt eine Rückkehr zu größerem Engagement in Europa, da Chinas Aufstieg Amerikas größte Sorge sei.

Leider erinnere Europa ohne Amerika heute „an einen chaotischen Jahrmarkt und nicht an eine Truppe disziplinierter Soldaten", schreibt Zielonka. Der Präsident eines Staates, der enorm von der europäischen Integration profitiert habe, wolle die polnische Unabhängigkeit gegen „fremde Agenden der EU" verteidigen. Der Präsident des Landes, das die europäische Integration geschaffen habe, sei politische Geisel der euroskeptischen Marine Le Pen. Politiker der Partei, die in Deutschland in den Umfragen führe, stellten die Grenzen in Europa infrage. „Wer wird die europäischen Wähler und Politiker überzeugen, zur Vernunft zu kommen?", fragt Zielonka rhetorisch.

Das Experiment, das auf den Trümmern eines schrecklichen Krieges entstanden sei, stehe vor einer existenziellen Wahl: gemeinsam handeln oder jeder für sich allein. Die Prognosen seien nicht gut, da Politiker an die Macht kämen, die mit der Nationalflagge wedeln und die EU ausschließlich als Melkkuh betrachteten. Ob die USA uns wieder aus der Patsche helfen? Er wage es zu bezweifeln, so Jan Zielonka in der Rzeczpospolita.

ONET: Soll Polen die Kriegsopfer selbst entschädigen? Umfrage zeigt Skepsis

Das Nachrichtenportal ONET präsentiert eine aktuelle Umfrage zum Thema Entschädigungen für noch lebende polnische Opfer des Zweiten Weltkriegs. Hintergrund sei die Ankündigung von Premierminister Donald Tusk bei den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Berlin, Polen könne „dieses Bedürfnis aus eigenen Mitteln erfüllen", falls Deutschland keine Entscheidung treffe.


Die Umfrage des Instituts SW Research, durchgeführt am 2. und 3. Dezember 2025, zeige ein gespaltenes Meinungsbild. Etwas mehr als ein Viertel der Befragten (25,8 Prozent) sei der Ansicht, Polen solle die Entschädigungen zahlen. Die größte Gruppe jedoch (43,3 Prozent) lehne diese Lösung ab. Fast ein Drittel (30,9 Prozent) könne sich nicht eindeutig positionieren.

Interessant seien die demografischen Unterschiede, lesen wir weiter. Frauen befürworteten den Vorschlag häufiger (28,4 Prozent) als Männer (22,9 Prozent). Die größte Zustimmung finde sich in der jüngsten Altersgruppe bis 24 Jahre (33,8 Prozent), während die geringste Unterstützung bei den über 50-Jährigen zu verzeichnen sei (20,9 Prozent). Das Analyseteam von Onet habe die geschätzten Kosten berechnet: 2026 würde das Programm etwa 440 Millionen Złoty kosten, über die nächsten 15 Jahre mehr als zwei Milliarden Złoty, so Onet.

GAZETA WYBORCZA: Polnische Forscher geben KI „echte" Intelligenz

Die linksliberale GAZETA WYBORCZA berichtet über einen wissenschaftlichen Durchbruch polnischer Forscher im Bereich der künstlichen Intelligenz. Prof. Tomasz Trzciński vom Forschungsinstitut Ideas und sein Doktorand Michał Bortkiewicz gehörten zu einem fünfköpfigen Team, das eine Methode entwickelt habe, die KI-Modellen „echtes Denken" ermögliche, anstatt nur menschliches Wissen nachzuahmen.


In Tests habe sich gezeigt, dass ihr Modell, in ein Labyrinth versetzt, den Ausgang gefunden habe, „indem es über die Wände sprang" – etwas, das andere Modelle nicht einmal versucht hätten und das nicht als möglich beschrieben worden sei, so Prof. Trzciński. Er glaube, dass diese Forschung zur Entstehung völlig neuer KI-Systeme führen könne, in denen die heute so populären großen Sprachmodelle (LLM) nur noch ein Element sein werden.

Die Forschungsarbeit der polnischen Wissenschaftler sei auf der wichtigsten wissenschaftlichen KI-Konferenz NeurIPS ausgezeichnet worden, lesen wir. Eine Veröffentlichung dort werde vom polnischen Wissenschaftsministerium auf derselben Ebene bewertet wie eine Publikation in „Nature" oder „Science". Nur vier von über zweitausend Arbeiten hätten auf der diesjährigen NeurIPS-Konferenz eine solche Auszeichnung erhalten, was die Polen in die absolute Weltspitze dieses Forschungsbereichs katapultiere, so die Gazeta Wyborcza.

Autor: Adam de Nisau


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