DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Teilung auf Kosten der Ukraine
Man könne sich kaum einen schlechteren Moment für Gespräche zwischen Donald Trump und Wladimir Putin vorstellen als den jetzigen, in dem sich die Ukrainer befinden, schreibt Zbigniew Parafianowicz in seinem Kommentar für das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Ein bedeutendes Kontingent ukrainischer Truppen sei im „Kessel" bei Pokrowsk und Myrnohrad im Donbass eingeschlossen. Diese beiden Städte könnten zwar gehalten werden, möglicherweise sogar für längere Zeit. Aber letztendlich werde sie das Schicksal von Bachmut, Awdijiwka und Wuhledar ereilen – sie würden verloren gehen. Die Frage sei nur, wie hoch die Zahl der gefallenen ukrainischen Soldaten sein werde.
Die Ukrainer, so der Autor weiter, hätten außer Angriffen in der Tiefe Russlands – an die sich Putin offenbar bereits gewöhnt habe – keine Verhandlungsmasse für die Gespräche in Alaska. Russland fordere indes das Maximum: die Entmilitarisierung des gesamten Donbass und den Abbau des riesigen Festungsgürtels im Osten der Ukraine. Dies wäre für Kiew ruinös, da es kurzfristig einen neuen Krieg und den weiteren Vormarsch der Russen nach Westen in Richtung Dnjepr nach sich ziehen würde. Das einzig sinnvolle Szenario aus Selenskyjs Sicht sei daher die Verlängerung der Verhandlungen, das Verwässern, das Unterzeichnen unverbindlicher Erklärungen – eine Form des Zeitgewinns, die jedoch keine dauerhafte, für Kiew oder die östliche NATO-Flanke befriedigende Lösung biete.
Trump wolle einen Waffenstillstand sofort, unabhängig davon, wer dafür zahle und welche Konsequenzen das habe. „Es interessiert ihn nicht, wie viel Territorium die Ukraine verliert", schreibt Parafianowicz. Der einzige Maßstab sei Trumps Rolle in der Weltpolitik als Friedensstifter. In seiner Perspektive habe er den jüngsten Krieg zwischen Pakistan und Indien beendet, alle möglichen Zollkonflikte auf der Welt gewonnen und den Iran bombardiert, um damit das Atomprogramm der Ajatollahs zu verhindern. Jetzt sei es Zeit für etwas ebenso Spektakuläres: einen Waffenstillstand in der Ukraine.
Doch, so Parafianowicz weiter, jeder der Kriege, in denen Trump der mythische Friedensstifter gewesen sei, habe mit einer provisorischen Lösung geendet. Der Beitrag der USA habe keine dauerhaften Antworten gegeben, sondern nur ein Pflaster auf die Wunde geklebt. Die Worte des US-Präsidenten hätten nicht dazu geführt, dass der Grenzstreit zwischen Neu-Delhi und Islamabad verschwunden sei. Der Bombenangriff habe Teheran nicht dazu gezwungen, den Willen zum Bau einer Atombombe aufzugeben. Auch ein Waffenstillstand – sollte er zustande kommen – werde Putins Ziele gegenüber der Ukraine nicht ändern. Die Gespräche in Alaska würden eine Atempause verschaffen, die möglicherweise auch für die ausgelaugte Ukraine dringend nötig sei. „In Zukunft sollte man jedoch nicht erwarten, dass die Russen ihre Ansprüche auf Odessa, Cherson, Saporischschja oder Charkiw aufgeben werden", warnt der Autor. Für Putin sei all dies Teil dessen, was er Neurussland nenne. In seinem Verständnis könne die Ukraine existieren – aber nur als Rumpfstaat. Ohne das industrielle Becken im Donbass. Ohne die Industriestädte am Dnjepr. Ohne Zugang zum Asowschen und Schwarzen Meer. „Trumps Beschwörungen werden das nicht ändern", so Parafianowicz.
Fazit: „Was heute um die Ukraine herum geschieht, ist eine moderne Teilung des Staates. Über Jahre gestreckt. In Etappen. Es ist eine Teilung zu einem relativ geringen Preis", warnt der Publizist. Der einzige Tribut Putins sei der sogenannte „menschliche Faktor". Der Westen habe geglaubt, dieser würde eine Rolle spielen, man nahm an, dass selbst ein Autokrat nicht 20.000 Menschen in die „Fleischmaschine" werfen könne. „Es hat sich gezeigt, dass er auch 40.000 kann. Und wenn nötig auch 80.000. Und mehr. Und niemand wird ihm etwas sagen", so Zbigniew Parafianowicz in Dziennik/Gazeta Prawna.
NEWSWEEK: Welche Chancen hat der neue Justizminister?
Das liberale Wochenmagazin Newsweek widmet sich dem neuen Justizminister Waldemar Żurek und seinen Herausforderungen. Wie Dominika Długosz erinnert, habe Żurek nach nur einer Woche im Amt vollmundig verkündet, er habe 46 Gerichtspräsidenten „abberufen" – nur um sich sofort zu korrigieren, dass er lediglich Anträge auf Abberufung gestellt habe. Das Problem: Das Kollegium des Bezirksgerichts in Danzig weigere sich, den Anträgen des Ministers zu folgen, und habe sie negativ begutachtet.
„Waldemar Żurek begann sehr kämpferisch, aber in Kürze könnte er genau dort sein, wo sich Adam Bodnar befand. Ohne Manövriermöglichkeit in einem unmöglich zu entsperrenden System, das die PiS hinterlassen hat", analysiert die Autorin. Die von der PiS ernannten „Neo-Richter" und ihre Unterstützer würden vom System geschützt. Żurek, der die umstrittene Landesjustizrat (KRS) nicht anerkenne, müsste sich paradoxerweise an eben diese KRS wenden, um Änderungen ohne Zustimmung der Richterkollegien durchzusetzen. Die Kadenz der KRS ende erst am 13. Mai des kommenden Jahres, und die regierende Koalition müsse die Landesrichterkammer dann auf der Grundlage des Rechts besetzen, gegen das sie protestiert habe.
Wie die Autorin erinnert, hat Żurek hohe persönliche Kosten für seinen Widerstand gegen die PiS-Reform getragen. Er sei Opfer der Hetzkampagne geworden, die Leute von Zbigniew Ziobro hätten 23 politisch motivierte Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet. Żurek sei ständig im Visier der Dienste gewesen: „Solches Grillen ist eine unangenehme Sache. Du bekommst graue Umschläge mit dem Stempel des Zentralen Antikorruptionsbüros CBA, und darin Vorladungen. An die Privatadresse", wird Żurek zitiert. Als er darum gebeten habe, dies zu unterlassen, weil seine schwangere Frau die Briefe öffne und sich aufrege, hätten die Dienste begonnen, auch seine Frau zu kontrollieren. „Sie hatte Blutdruckspitzen... Die Tochter wurde mit einem Herzfehler geboren, und wenn ich jetzt auf diese Situation schaue, frage ich mich, ob das nicht einen Einfluss hatte", erzähle Żurek.
Ziobro, lesen wir, habe sich auch sehr genau mit Żureks Privatleben befasst. Der Streit mit seiner Ex-Frau und angeblich nicht gezahlte Unterhaltszahlungen seien vor die umstrittene Kontrollkammer des Obersten Gerichts gebracht worden, obwohl ein Gericht später die Ex-Frau dazu verurteilte, sich für die Verbreitung falscher Informationen zu entschuldigen. Im Krakauer Gericht sei Żurek Opfer von Mobbing durch die jetzige KRS-Chefin Dagmara Pawełczyk-Woicka geworden, die unter anderem die Auszahlung einer Entschädigung für einen Arbeitsunfall blockiert habe.
Kollegen aus der Regierung würden Żurek als „unglaublich entschlossen" und als jemanden ohne Ausweg charakterisieren: „Die besten sind die Typen ohne Rückzugsmöglichkeit", zitiert Newsweek einen Gesprächspartner aus Regierungskreisen. Tatsächlich habe Żurek mehr riskiert als andere Minister – er musste seinen Richterstatus aufgeben. Für eine Rückkehr zur Immunität und den Ruhestandprivilegien bräuchte er eine Unterschrift vom Staatspräsidenten. Auf die von Nawrocki könne er wohl nicht zählen.„Żurek hat ein One-Way-Ticket in die Politik", resümiert die Autorin in Newsweek.
POLITYKA: Sieben Rettungsszenarien für Tusk
Die linksliberale Wochenzeitung Polityka präsentiert sieben mögliche Strategien, mit denen Donald Tusks Koalition die Parlamentswahlen 2027 gewinnen könnte. Mariusz Janicki analysiert, dass trotz des Triumphalismus der PiS nach Nawrockis Amtsantritt das Rennen noch nicht entschieden sei.
1. Der persönliche Zweikampf Tusk gegen Nawrocki: Dies werde die Hauptfront sein, schreibt Janicki. Nawrocki habe bewusst die Rolle des „Präsidenten des halben Polens" gewählt und im Sejm eine sehr konfrontative Rede gehalten. „Das wird ein Krieg vor allem der Eindrücke und Emotionen sein, mit denen man nicht diskutiert, sondern eigene schafft", analysiert der Autor. Tusk müsse Nawrocki vom Format des „Imperators" herunterholen und ihm seinen Platz in der Reihe zeigen.
2. Gemeinsamer Wahlantritt der gesamten Koalition unter dem Banner des Kampfes gegen die „zunehmend braune Rechte". Bei Nawrockis Hooligan-Wurzeln und der immer stärkeren Lizitation der Rechten auf antisemitische und rassistische Parolen werde die Teilung zwischen einem offenen, liberalen und einem nationalistischen, autoritären Polen immer sichtbarer.
3. Wachsende Unterstützung für die Bürgerkoalition auf etwa 35 Prozent. Die PiS habe nach Jahren konfrontativer Regierung 2019 deutlich über 40 Prozent erreicht, also sei dies machbar. Dazu bräuchte es sowohl eine bessere Organisation der Bürgerplattform als auch effektvolle Projekte der Koalitionspartner.
4. Das Entstehen einer neuen politischen Kraft als Juniorpartner der Bürgerplattform mit 12-15 Prozent, die ihr jedoch keine Wähler wegnehme. Dies könnte eine Art liberale Konfederacja sein – stark marktwirtschaftlich, aber proeuropäisch und nicht nationalistisch.
5. Die Übergabe des Premierpostens durch Tusk an jemand anderen, etwa Radosław Sikorski, im Jahr 2026 oder Anfang 2027. Spät genug, damit sich der neue Premier nicht „abnutzt", aber früh genug, um mit positiven Veränderungen und einem neuen Wahlprogramm assoziiert zu werden.
6. Die Hoffnung, dass PiS sich nicht mit der Konfederacja einigt Kaczyński kritisiere und provoziere bereits jetzt vor allem Mentzens Neue Hoffnung, während er mit Bosaks Nationaler Bewegung bessere Beziehungen pflege. Ein PiS-Funktionär habe Kaczyńskis Taktik treffend als „dominiere oder zerstöre" beschrieben.
7. Das Warten auf eine natürliche Umkehr des politischen Pendels noch vor Herbst 2027. Ein Teil der politischen Prozesse entziehe sich rationalen Faktoren und könne als „Naturphänomen" betrachtet werden. Die Rückkehr des Konservatismus müsse nicht dauerhaft sein, Trump werde langsam seine Amtszeit beenden, das Migrationsphänomen könnte unter Kontrolle gebracht werden.
„Zwei Jahre sind viel Zeit, um ungünstige Tendenzen umzukehren", betont Janicki. Die Bürgerplattform halte sich weiterhin bei etwa 30 Prozent in den Umfragen, und Kaczyńskis Träume von 40 Prozent für die PiS hätten derzeit keine Grundlage. Entscheidend sei das Verständnis der Regierenden, dass Image, PR und eine optimistische, geschlossene Erzählung unverzichtbare Elemente des Erfolgs seien. „Wahlen werden in den Köpfen der Wähler gewonnen", mahnt der Autor in der Polityka.
Autor: Adam de Nisau